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Ralf Bauer.
Ralf Bauer.

Den Texten und Gedichten von Rainer Maria Rilke eine weitere Dimension geben – das will das Rilke Projekt. Im Mannheimer Capitol waren als Gäste die Schauspieler Nina Hoger und Ralf Bauer und als Sänger Edo Zanki angetreten. Der Abend war gut. Bis auf die Musik.

Rilke und Musik – die Idee ist nicht neu. Eine ausführliche Auflistung von Rilke-Vertonungen zählt an die 1000 Werke. Darunter sind so musikalische Schwergewichte wie Arnold Schönberg, Kurt Weill, Paul Hindemith und Leonard Bernstein. Auch Udo Lindenberg hat sich schon versucht. „Der Panther“, eines der berühmtesten Gedichte Rilkes, hat er sich auf seinem Album „Der Exzessor“ vorgenommen. Abgesehen davon, dass er wie immer ein bisschen schräg intoniert, ist im Stück eine Dynamik erkennbar; die Gestaltung und harmonische Entwicklung kann man mit dem Inhalt in Beziehung setzen. Das ist schon was – wenn auch kein Meisterwerk. Nun gibt es in der Mainstream-Pop- und Rockmusik schon ein paar Konventionen, die man einhalten sollte, wenn man das entsprechende Publikum erreichen will. Man braucht einen gewissen Groove, der die Zuhörer rhythmisch anspricht. Die Melodie sollte nachvollziehbar sein, die Akkorde nicht allzu weit aus dem diatonischen Dur-Moll-Gefüge ausbrechen. Beim Sound sind die Zuhörer aufgeschlossener. Aber so reduziert wie beim Rilke Projekt muss man sich nicht geben. Wenn man nun mit dem hohen Anspruch antritt, „eine weitere Dimension hinzuzufügen“, dann weckt das Erwartungen. Was soll die Musik leisten? Ideal wäre, dass sie mit den Texten interagiert, dass sie Aussagen unterstreicht, Stimmungen aufgreift, dramatische Verläufe mitgeht. Freilich setzt das voraus, Rilkes Texte zu durchdringen und daraus eine in Musik gefasste Interpretation zu entwickeln. Doch all das spiegelt sich in der Musik von Richard Schönherz und Angelica Fleer nicht wieder. Die wirkt über weite Strecken erstaunlich banal und leer. Einen Bezug zu den Texten findet man kaum. Die Musik bleibt unter dem Niveau, das einem Mainstream-Publikum durchaus zumutbar wäre. Vieles mutet an wie Hintergrundmusik, mit der Nachrichtensender ihre Wetterkarten vor den Hauptnachrichten untermalen. Aussagekräftige Melodien gibt es kaum, allenfalls ein paar melodische Fragmente, die aber kaum mehr sind als ein paar Blümchen auf einer gepflegten Rasenfläche. Es gibt keine unerwartete Wendung, keine interessante Modulation, keine Dissonanz, die mal Ohren und Gemüt kitzelt. Die Musiker machen alle einen guten Job, sind aber auch nicht gefordert. Ali Neander an den Gitarren bekommt hin und wieder ein Solo – aber das klingt auch eher versiert als inspiriert. Was soll er mit zwei Akkorden in Endlosschleife auch anfangen. Es gibt mal ein Orgelsolo, bei dem Matthias Leber wie plötzlich aufgewacht wirkt – ansonsten hat er viele Klangflächen zu liefern. Der Sound ist so konventionell, dass Lebers Akkordeon schon fast exotisch wirkt. Unvermeidlich kommt es, wenn das Wort Paris fällt – wie in einem amerikanischen Film. Was Stargast Edo Zanki liefert, ist irritierend wenig. Ziemlich oft singt er eine einzelne Textzeile nach, manchmal ist es nur ein oh-ho, ein hm-hm oder wohu-wohu, das wohl irgendwie soulig wirken soll. Wenn es das Ziel der Komponisten war, überwiegend Hintergrundmusik zu liefern, die dem Text nicht in die Quere kommt, dann ist das gelungen. Aber auch unnötig. Nina Hoger und Ralf Bauer lesen nämlich toll. Auch die Auswahl der Texte ist interessant: Es sind Gedichte, Ausschnitte von Prosa-Texten, aber auch Briefe. Dieses Rilke Projekt ist das fünfte des Komponisten-Paars Schönherz und Fleer. Schon eine Menge Musiker und Sprecher haben mitgemacht. Die Platten verkaufen sich gut, die Touren sind gut besucht. Was will man mehr?

Nina Hoger.
Nina Hoger.
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