Ludwigshafen Untertanen in Krähwinkel

Beliebt und verhasst: Bildnis August von Kotzebues.
Beliebt und verhasst: Bildnis August von Kotzebues.

Heute vor 200 Jahren wurde der Dichter August von Kotzebue in Mannheim erstochen. Unter den unzähligen vergessenen Theaterstücken des einstigen Publikumslieblings ist „Die deutschen Kleinstädter“ noch am ehesten in Erinnerung geblieben. Aus Anlass des Todestages und einer Kotzebue gewidmeten Tagung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen hat das Nationaltheater das Stück nun In Form einer szenischen Lesung gegeben.

Allein schon der Phantasiename Krähwinkel, der Ort, in dem „Die deutschen Kleinstädter“ spielt, spricht Bände. Um eine Ansiedlung von Spießbürgern zu bezeichnen, ist er nahezu sprichwörtlich geworden. Heinrich Heine griff den Ortsnamen selbstverständlich begierig auf, der Fürst der österreichischen Volksbühne, Johann Nestroy, setzte ihn im Revolutionsjahr 1848 in den Titel seiner Posse „Freiheit in Krähwinkel“. Und noch der spitzzüngige, bissige Wiener Sprachkritiker Karl Kraus nahm ihn ebenso wie der Satiriker Kurt Tucholsky im 20. Jahrhunderts in den Mund, wenn er auf Hinterwäldler zielte. August von Kotzebue war nicht minder streitbar. Er legte sich gleichermaßen mit Aufklärern wie Klassikern und Romantikern an. Und im Wiener Burgtheater war es auch, wo seine „Deutschen Kleinstädter“ am 22. März 1802 uraufgeführt wurden. Über die Inszenierung einer Aufführung in Weimar kriegte sich der Autor mit dem Regisseur Johann Wolfgang von Goethe in die Haare. Und auch das Publikum des Mannheimer Nationaltheaters bekam sein Stück recht bald, nämlich am 12. September 1802 zu sehen. Nicht unähnlich manch einem Bestsellerautor heutzutage produzierte Kotzebue Komödien wie am Fließband und kam mit ihnen beim Publikum bestens an. Auf eine Aufführung von Goethes „Iphigenie auf Tauris“ kamen tausend Kotzebue-Aufführungen. Kerstin Grübmeyer, Sascha Hargesheimer und Beata Anna Schmutz haben jetzt eine gehörige ironische Distanz eingenommen, als sie die olle Kamelle wieder aus der Mottenkiste geholt und in Szene gesetzt haben. Auf der Bühne des Werkhauses stehen antiquierte Möbel, Teekannen, Tassen und Gebäck, wie geschaffen für ein gemütliches Plauderstündchen. Einige der Vortragenden auf Sofas und Stühlen tragen Hauben, wie sie in der Biedermeierzeit Mode waren. Ragna Pitoll, die die Großmutter aus der Familie des Bürgermeisters Staar darstellt, ist auf alt getrimmt. Die eine Muhme gibt Almut Henkel, ebenfalls aus dem Schauspielensemble, die andere Muhme mit Haube – Gipfel distanzierter Ironie! – ein Mann, nämlich Nico Türksever. Eddie Irle als Bürgermeister von Krähwinkel trägt einen schwarzen Zylinder, und wenn er seiner Tochter Sabine klar macht, wen er ihr „zum Schwiegersohne erkieset“ hat, sorgt das für Heiterkeit unter den Zuschauern. Selbstverständlich geht es, wie es sich für eine Komödie von der Stange gehört, um Liebeswirren. Sabine und ihr Herzallerliebster Olmers, gelesen von Costanza Dohman und Sascha Bilert in heutiger Straßenkleidung, können nicht zueinander kommen. Der Vater, Bürgermeister Staar, hat der Tochter nämlich schon den Bau-, Berg- und Weginspektorssubstitut Sperling, gelesen von Ludwig Thormann, bestimmt. Kotzebue macht die Kleinbürger in ihrer krummbuckligen Ehrfurcht vor Titeln lächerlich (die eine Muhme ist Oberfloß- und Fischmeisterin, die andere Stadtakzisekassaschreiberin) und führt sie in ihrer Unterwürfigkeit unter den Staat vor, die im 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichen wird. Komödiantische Wirren entstehen, indem der titellose Olmers für den inkognito reisenden König gehalten wird. Doch wie es sich für eine Komödie gehört, gibt es ein Happy end. Auf der Bühne anders als im Leben des Dichters. Ihr Wochenende

x