Ludwigshafen Vollmond im Trafowerk

Nik Bärtsch spielt in einer ehemaligen Industriehalle in Mannheim-Käfertal in einem Wasserbecken vor einem Videoscreen.
Nik Bärtsch spielt in einer ehemaligen Industriehalle in Mannheim-Käfertal in einem Wasserbecken vor einem Videoscreen.

Mit der „Mannheim Music Week“ lässt man in der Stadt der Quadrate die Muskeln spielen. Eine Woche lang will man zeigen, dass man den Titel „Unesco City of Music“ sehr zurecht trägt. Bis 19. Mai gibt es 60 Veranstaltungen, meist das übliche Programm zwischen Jazzclub und Opernhaus. Zu den Sonderveranstaltungen gehörte gleich zum Auftakt ein eindrucksvolles Projekt des Festivals Enjoy Jazz in einer ehemaligen Industriehalle.

Trafowerk heißt die coole Location mitten im Industrieareal des Stadtteils Käfertal. Die Halle ist imposant: 1300 Quadratmeter Grundfläche, 25 Meter Höhe, kein Tageslicht und komplett schallisoliert. An den Wänden Stahltreppen und Laufstege. Bis 1992 wurden hier riesige Transformatoren getestet, inzwischen hat ein Logistikunternehmen die Halle übernommen und vermietet sie für Firmenevents. Helene Fischer soll hier ihre Bühnenshow geprobt haben. Platz ist genug. Das 100 Quadratmeter große Wasserbecken, das Sophie Clements mitten in diesem Riesenraum installiert hat, wirkt fast schon klein. Auch der dahinter aufgestellte, trapezförmige Videoscreen macht nur mäßig Eindruck. Aber das ändert sich schlagartig, als das Licht ausgeht, der Schweizer Pianist Nik Bärtsch sich an seinen auf einem Podest im flachen Wasserbecken platzierten Steinway setzt und ein poetisch-behutsamer Dialog aus Licht und Klang beginnt. Ihr Projekt „When the Clouds Clear“, inspiriert von einem japanischen Gedicht, haben Bärtsch und Clements in vierjähriger Vorbereitung entwickelt und als Beitrag des Festivals Enjoy Jazz zur „Mannheim Music Week“ realisiert. Bärtsch interessiert sich schon lange für Zen-Buddhismus und japanische Kultur und hat aus Jazzimprovisation und minimalistischen Rhythmuspatterns eine stark groovebetonte, fast trancehafte Musik entwickelt. In unterschiedlichen Besetzungen konnte man ihn damit bei Enjoy Jazz erleben. Die in London lebende Sophie Clements verbindet in ihren Videoarbeiten Film, Musik und Rauminstallation. Natürliche Vorgänge mit einem unveränderlichen zeitlichen Ablauf, etwa die Explosion und Zerstörung von Plexiglasscheiben, versetzt sie in poetisch-schwebenden Stillstand oder zeitlupenhafte Wiederholung. In dem Mannheimer Projekt der beiden geht es um Licht, Wasser und Musik. Die mit einem Einzelton beginnenden und sich zu dröhnendem Crescendo steigernden Improvisationen von Bärtsch treten in einen anmutigen Dialog mit den Lichteffekten und Videos von Sophie Clements. Erst schleicht sich da nur ein schmaler Lichtstrahl in den stockfinsteren Raum, weitet sich zu einem Kegel, dessen Bewegung das Piano auf seinem Podest scheinbar in Bewegung versetzt. Man kann sich in einem dunklen Wald wähnen, zwischen dessen Bäumen sich das fahle Mondlicht allmählich Bahn bricht. Nach 20 Minuten werden erste Filmbilder auf den Screen projiziert, Wasserflächen, wolkendüsterer Himmel. Die auf 16-Millimeter-Schwarz-Weiß-Film festgehaltenen Kamerafahrten nehmen an Rasanz zu. Man erkennt windbewegte Wellen, tosende Strudel, ein Gewittersturm, begleitet von Bärtschs Pianodonner, dann Ruhe, Regentropfen und ein romantischer Vollmond. Caspar David Friedrich hätte das auch gefallen. Beide Künstler arbeiten weitgehend analog, Bärtsch verwendet keine Electronics, verstärkt allerdings seine Pianosounds und greift mit Händen und Stöcken auch direkt in die Saiten oder klopft auf den Korpus. Clements hat nur Filmaufnahmen von Wasser verwendet, die Wassertropfen, die man hört, fallen tatsächlich von der Hallendecke ins Bassin. Das Publikum schaute und lauschte 70 Minuten mit Hochspannung, dann gab es begeisterten Applaus.

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