Ludwigshafen Von hier an blind

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Mitte. Drei Studenten der Pädagogischen Hochschule Heidelberg haben Grundschulkindern am Donnerstag erklärt, wie sich Blinde orientieren. Bei einem Workshop, der zum Projekt „Stadt bei Nacht“ gehörte, durften die Kinder im Stadtmuseum in der „Mission of Darkness“ mit verbundenen Augen verschiedene Stationen ausprobieren. Ein Sehbehinderter berichtete ihnen von seinem Alltag.

Im Stadtmuseum sind die Lichter aus. Eigentlich wollen die Studentinnen Lena, Julia und Theresa Kindern der dritten bis vierten Klasse an verschiedenen Spielstationen verdeutlichen, wie es ist, sehbehindert zu sein. Doch zunächst kommen nur Zwei- bis Dreijährige, deshalb muss schnell improvisiert werden. Die Studentinnen malen mit den Kleinen Leuchtbilder und zeigen ihnen Taschenlampen. Erst ein wenig später kommen zwei ältere Schwestern, die sich mit sehr viel Eifer an die Aufgaben machen. Im Museum ist ein Parcours aufgebaut. Eine der Stationen ist dem Berliner Platz nachempfunden. Ein MP3-Player spielt die typischen Geräusche von dort ab. Mit einem Blindenstock muss eine Ampel überquert werden. Dabei müssen die Kinder auf die Töne achten, die anzeigen, wann es Grün wird. Es gilt, eine Sitzbank an der Haltestelle zu finden und später in die Bahn zu steigen. Was jedem Sehenden vollkommen einfach vorkommt, ist mit verbundenen Augen eher ein Garant für blaue Flecken. Doch die Mädchen sind vorsichtig und die Studentinnen passen auf sie auf. „Was ich dabei lerne, ist, die Situation besser einzuschätzen und darauf zu reagieren“, meint Studentin Theresa, als sich herausstellt, dass die Kopfhörer des MP3-Players zu groß für die Kinderohren sind. Ihre Kommilitonin Lena springt spontan als Passantin ein, als das Mädchen nach der richtigen Bahn fragen will. An einer anderen Station testet Julia das Farbsehen und erklärt den jungen Besucherinnen, was eine Rot-Grün-Schwäche ist. Das Museum als außerschulischer Lernort ist für die angehenden Lehrer eine Abwechslung. Sie erhalten Einblicke, wie man an solchen Orten arbeiten kann. Ihre didaktischen Konzepte aus der Hochschule können sie hier in die Praxis umsetzen. Die Leiterin des Stadtmuseums, Regina Heilmann, schaut auch kurz im Dunkeln vorbei. Die Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg besteht seit vier Semestern. Gelehrt wird zu verschiedenen Themen. Eines war Karolina Burger als Bürgerin der Stadt. Bei der „Mission of Darkness“ geht es aber um etwas anderes – darum, etwas praktisch erfahrbar zu machen. Hauptbestandteil des Projekts ist die schwarze Augenbinde, die auch das Einkaufen beim Bäcker zur Herausforderung werden lässt. Es gestaltet sich schwierig, das richtige Geldstück zu finden. Danach geht es auf einem simulierten Jahrmarkt weiter. Das Seilspringen geht auch ohne sehen, doch beim Dosenwerfen wird es kritisch. In einem ruhigen Sitzkreis erzählt Student Nikolai kurz darauf von seiner Einschränkung. Er studiert Sonderpädagogik und sieht nur fünf Prozent von dem, was die Kommilitonen wahrnehmen. Texte lesen ist für ihn schwer. Dank Smartphone kann er aber viel fotografieren und groß zoomen. Er kennt seltsame Reaktionen im Alltag. „Wenn ich beim Bäcker frage, ob in einem Teil zum Beispiel Apfel drin ist, sagen viele, dass es doch auf dem Schild steht“, berichtet er. Doch Schilder wie diese kann er nicht lesen. Auch in der Bahn wird es schwer, wenn die Ansage ausfällt und er nicht weiß, an welcher Haltestelle er momentan ist. Wie sich das anfühlt und welche Geräusche und Gerüche im Alltag auftauchen, wird den beiden Mädchen bei einer kurzen Tour durch das Rathaus-Center gezeigt. Der Workshop „Mission of Darkness“ ist einer von mehreren, die während der Aktion „Stadt bei Nacht – Alles schläft“ für Kinder angeboten werden. Bei ihnen haben Stadtmuseum und Hochschule Ludwigshafen das Thema Dunkelheit in den Mittelpunkt gestellt. Damit alle Kinder dabei sein können, ist das Angebot kostenlos. Der nächste Termin ist bereits heute Abend – und zwar von 17.30 Uhr bis 19 Uhr im Friedenspark. Dort wird eine Schnitzeljagd für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren angeboten. Treffpunkt ist am Eingang des Parks. |mja

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