Interview Wahlbeobachter Schreider: Stimmung in USA sehr angespannt

Christian Schreider vor dem Wahllokal in Milwaukee, einer 570.000-Einwohner-Stadt am Westufer des Lake Michigan im US-Bundesstaa
Christian Schreider vor dem Wahllokal in Milwaukee, einer 570.000-Einwohner-Stadt am Westufer des Lake Michigan im US-Bundesstaat Wisconsin.

Im US-Bundesstaat Wisconsin war der Ludwigshafener SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Schreider als Beobachter der Kongresswahlen eingesetzt. Welche Eindrücke er mitnimmt und wie er die Ergebnisse bewertet, hat er Steffen Gierescher berichtet. Für einen kurzen Schreckmoment sorgte ein mit einem Messer bewaffneter Mann.

Herr Schreider, welche Aufgaben hatten Sie vor Ort?
Ich musste vor allem den ordentlichen Ablauf der Wahlen beobachten und darüber berichten. Insbesondere habe ich darauf geachtet, ob jeder Wahlberechtigte ohne Beeinflussung oder gar Bedrohung sowie unter Wahrung des Wahlgeheimnisses wählen konnte. Zudem sollte ich ein Auge darauf haben, ob gegebenenfalls Wahlberechtigungen zu Unrecht verweigert werden.

Lief denn alles korrekt ab?
Ich habe hier ja nur einen Ausschnitt mitbekommen, letztlich wird das der Abschlussbericht zeigen. Aber soweit ich das beurteilen kann, ist in Milwaukee bis auf vereinzelte Diskussionen über gültige oder ungültige Wahlberechtigungsnachweise alles ordentlich abgewickelt worden. Es gab allerdings einen Zwischenfall, als ein Mann mit einem Messer in ein Wahllokal gelaufen ist und gerufen hat: „Stoppt die Wahl“. Er wurde sofort von der Polizei festgenommen. Zum Glück wurde niemand verletzt.

Christian Schreider vor dem Wahllokal in Milwaukee, einer 570.000-Einwohner-Stadt am Westufer des Lake Michigan im US-Bundesstaa
Christian Schreider vor dem Wahllokal in Milwaukee, einer 570.000-Einwohner-Stadt am Westufer des Lake Michigan im US-Bundesstaat Wisconsin.
Christian Schreider in der Halle, in der die Briefwahlstimmen ausgezählt wurden.
Christian Schreider in der Halle, in der die Briefwahlstimmen ausgezählt wurden.
Schreider mit dem Wahlleiter, dem Milwaukee County Clerk George L. Christenson.
Schreider mit dem Wahlleiter, dem Milwaukee County Clerk George L. Christenson.
Mit Nikolaus Scherak (links), Vize-Fraktionschef der österreichischen Neos, hat Schreider ein Beobachtungsduo gebildet.
Mit Nikolaus Scherak (links), Vize-Fraktionschef der österreichischen Neos, hat Schreider ein Beobachtungsduo gebildet.

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Wie beurteilten Sie die Lage in Wisconsin und in den USA generell?
Die politische Stimmung in den USA ist insgesamt sehr angespannt. Wisconsin ist ein klassischer Swing-State, in dem es traditionell eng zugeht. Hier haben Demokraten und Republikaner jeweils gute Siegchancen.

Wie haben Sie die Stimmung der Menschen vor Ort wahrgenommen?
Es gab ein hohes Interesse an den Wahlen, teilweise hatten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen gebildet. Die organisatorisch Verantwortlichen haben sich erkennbar viel Mühe gegeben, einen formell ordentlichen Ablauf zu garantieren, auch um keinerlei Ansatzpunkte für Verschwörungstheorien des Lagers von Donald Trump zu geben.

Ist das Land wirklich so gespalten, wie das immer behauptet wird?
Wenn Vertreter des Trump-Lagers vor Ort aufschlagen: ja. Dann bezichtigt man sich schon mal gegenseitig purer Lügen. In den Reihen der Wähler ist es aber durchaus auch so, das mancher traditionelle Demokraten-Wähler Präsident Joe Biden für die hohen Energiepreise verantwortlich macht und deshalb aus Protest die Republikaner wählt. Da verwischen dann schon die Grenzen der Lager.

Was glauben Sie: Wird Donald Trump ein Comeback gelingen?
Das ist durchaus denkbar, er will es jedenfalls. Allerdings hat er viele Strafverfahren am Hals, und mit dem Gouverneur von Florida, Ron de Santis, hat ein möglicher interner Rivale einen klaren Heimsieg eingefahren.

Welche Folgen hätte eine mögliche Rückkehr von Donald Trump in zwei Jahren ins Weiße Haus?
Viele Amerikaner befürchten, sicher nicht zu Unrecht, dass Trump in einer zweiten Amtszeit – und dann ohne Rücksicht auf eine mögliche Wiederwahl – auch die letzten rechtsstaatlichen Hemmungen fallen lassen könnte. Wenn Amerikas Demokratie in Gefahr gerät, wären die Folgen für die Welt kaum absehbar.

Noch laufen viele Auszählungen. Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse?
Als Wahlbeobachter sind wir zur Zurückhaltung angehalten, wenn es um Analysen geht. Objektiv lässt sich aber sicher sagen, dass die Wahl nicht in dem Ausmaß zugunsten der Republikaner gelaufen ist, wie das im Vorfeld prognostiziert worden war.

Mit welchem Gefühl kehren Sie zurück aus den Vereinigten Staaten?
Mit dem durchaus guten Gefühl, dass die Verantwortlichen zumindest hier in Milwaukee ihrerseits alles getan haben, um den Verschwörungstheoretikern keinerlei Ansatzpunkte für Kritik zu geben.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie zur Wahlbeobachtung in die USA reisen durften?
Die OSZE, also die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, hatte mich eingeladen – zunächst am Wochenende nach Washington zu Briefings mit Hintergrund- und Detailinformationen. Ab Montag waren wir dann zu viert vor Ort in Milwaukee: ein finnischer Konservativer, ein schottischer Linksnationalist, ein österreichischer Liberaler und ein deutscher Sozialdemokrat.

Zur Person

Christian Schreider, 50, hat am 26. September 2021 das Direktmandat für die SPD im Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal gewonnen. Der ledige Jurist lebt in Friesenheim. Im Bundestag ist er ordentliches Mitglied im Sport- sowie im Verkehrsausschuss. Von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wurde Schreider zudem in die neu gegründete „Beschleunigungskommission Schiene“ berufen.

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