Mannheim Wie die Herkunft den Körper beeinflusst, diskutiert ein neuer Buchclub der Kunsthalle

Künstlerin Sarah Lucas hinterfragt spielerisch Zuschreibungen: „Self-Portrait with Fried Eggs“.
Künstlerin Sarah Lucas hinterfragt spielerisch Zuschreibungen: »Self-Portrait with Fried Eggs«.

Jeder Körper mit all seinen Eigenschaften – Gesundheit, Geschlecht, Hautfarbe – erfährt eine andere Realität. Das erkundet nicht nur die Künstlerin Sarah Lucas in ihrer aktuellen Ausstellung „Sense of Human“ in der Mannheimer Kunsthalle. Ein neu gegründeter Buchclub mit vier Terminen zwischen Juli und Oktober konzentriert sich auf den Zusammenhang zwischen Körper, Klassismus und Feminismus.

Unsere Herkunft beeinflusst nicht nur, was wir essen und wie wir aussehen und was wir wahrnehmen, sondern auch unsere Vorstellungen von Schönheit und Selbstwert, sowie unser Verhältnis zu unserem Körper. Wie können solche Muster „sozialer Gene“ durchbrochen werden? Dieser Fragestellung geht die Mannheimer Kunsthalle in ihrem Begleitprogramm zur Ausstellung von Sarah Lucas nach – diesmal mit einem Buchclub. Die Soziolinguistin Andrea Chagas López, die den Club leitet, führt das gute Dutzend Menschen in die alte Bibliothek. Die Atmosphäre des mit Holz vertäfelten Raums erinnert an historische, intellektuelle Begegnungsstätten und lässt die Gruppe staunen. Seit April ist Chagas akademische Mitarbeiterin am Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung, beschäftigt sich mit Integration und Migration, kurzum achtet sie darauf, dass ihre Forschung „in der Gesellschaft ankommt und nicht in kleinen akademischen Kreisen bleibt“.

So niederschwellig wie möglich

Dieser interdisziplinäre Ansatz zeigt sich auch beim Programm des Buchclubs: Neben mehreren Büchern, über die per E-Mail abgestimmt wird, gibt es Empfehlungen von Podcast-Folgen oder Fernsehgesprächen. Auf diesem Weg möchte Chagas den Zugang so niederschwellig wie möglich bereiten, denn „nicht jeder kann bestimmte Bücher lesen. Trotzdem sollen alle Interessierte Teil des Diskurses sein können“. Im Buchclub solle es um das Teilen persönlicher Erfahrungen und nicht um Expertenmeinungen gehen.

Manuela Berwanger von der Stadtbibliothek Mannheim, die erfahren mit Lesekreisen ist und die Treffen mit vorbereitet, unterstreicht diesen Fokus: „Formate, bei denen man sich trifft und einfach austauschen kann, sind unglaublich wichtig.“ Auch das Queere Zentrum Mannheim sowie Frauenbuchladen Xanthippe sind bei der Konzeption beteiligt.

Was ist „toxische Weiblichkeit“?

Die Bücherauswahl bietet ersten Diskussionsstoff: Soll pro Treffen lediglich ein Buch vorbereitend gelesen werden oder sollen es doch mehrere sein? Da wirft Chagas ein: „Nicht alle Bücher müssen ganz gelesen werden. Wir können auch nur einzelne Kapitel herausgreifen.“ Diese Entspanntheit sorgt für Vorfreude beim Besprechen der Bücherliste. Der letzte Titel „Toxische Weiblichkeit“ weckt allerdings gemischte Gefühle. Sylvia Diemer ist überrascht von seiner Provokation: „Das muss man erst lesen, bevor man sich eine Meinung darüber bilden kann.“ Die 63-Jährige schließt sich mit ihrer Freundin Jutta Jörg der Führung durch Sarah Lucas’ Ausstellung im Anschluss an. Bei den meisten Figuren der Britin sind heteronormative Zuschreibungen nicht mehr möglich, was die Frage aufwirft: Was ist überhaupt Menschsein? Diemer und Jörg haben beide junge Töchter, die „junge Frauen sind“ und möchten sich über die hochaktuellen Themen im Buchclub weiter informieren. Es sei spannend, „unterschiedliche Meinungen und auch zwischen den Zeilen zu hören“, erklärt Jörg.

Termine

Die nächsten einstündigen Treffen des Buchclubs in der Mannheimer Kunsthalle sind mittwochs, 18 Uhr, am 3. Juli, 4. September, 2. Oktober.

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