Ludwigshafen Zu Trümmern wird alles gehen

Friedrich Schiller hat die Vergänglichkeit der Dinge dereinst treffend beschrieben: „Zu Trümmern wird alles gehn, was wir bedächtig bauten.“ Recht hat er, der deutsche Dichterfürst. Vor ein paar Tagen hat unser Fernseher den Geist aufgegeben. Das gute Stück war kein deutscher Klassiker. Es stammte aus Japan, und wir hatten es 2002 anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft gekauft. Das Gerät hat 16 Jahre lang treu Bilder aus aller Welt in unser Wohnzimmer flimmern lassen, bis die Bildröhre schlapp machte. Ich kam an jenem Abend spät von der Arbeit nach Hause und fand meine Frau, die beste Ehefrau von allen, lesend in unserem Ehebett vor. Ich spürte gleich, dass meine Gattin verstimmt war – und das lag nicht nur an meiner verspäteten Heimkehr. „Der Fernseher ist kaputt gegangen. Ich wollte gerade Nachrichten sehen, da hat es gekracht und gefiept – der ist tot.“ Wir beschlossen, gleich am nächsten Tag den alten Apparat zu entsorgen und uns ein neues Fernsehgerät anzuschaffen. Das Dumme war nur, dass der alte Röhrenapparat dermaßen schwer war, dass ich ihn weder alleine und auch nicht mit tatkräftiger Hilfe meiner Frau aus dem Haus tragen konnte. Ein starker zweiter Mann war nötig. Wer wäre für diese gewichtige Rolle besser geeignet als mein durchtrainierter Kollege Steffen Gierescher? Ich rief ihn morgens vor der Arbeit an. Er kam, hob und die Flimmerkiste lag im Kofferraum meines Autos. Wir fuhren zum Wertstoffhof nach Rheingönheim und wuchteten die Glotze in einen Container. Das ging ratzfatz. Da es ein Arbeitstag vor einem Feiertag war, an dem keine Zeitung erscheint, konnte ich abends relativ früh heim. Meine Frau und ich starteten die TV-Mission um 18 Uhr. Wir fuhren nach Oggersheim und suchten ein Fachgeschäft auf. Wir verlangten nach einen Flachbildschirm mit Verbindung zum Internet – man will bei so einer Neuanschaffung ja mit der Zeit gehen. Meine Frau meinte: „Es soll ein gutes Gerät sein“. Das zauberte dem Verkäufer ein Lächeln auf die Lippen. Der Mann war nicht nur zuvorkommend, sondern auch clever. Er war gute 20 Jahre jünger als seine Kunden und belästigte uns nicht mit technischen Details, die wir ohnehin nicht verstanden hätten. Er zeigte uns eigentlich nur ein Modell und meinte: „Das ist das Richtige für Sie“. Keine 30 Minuten, nachdem wir das Geschäft betreten hatten, waren wir stolze Besitzer eines Smart-TV-Geräts der neuesten Generation aus Südkorea. Als ich nachfragte, wie man denn einen Videorekorder daran anschließen könne, erntete ich einen nachdenklichen Blick. „Das ist eigentlich nicht mehr vorgesehen. Die Steckeranschlüsse dafür hat Ihr neuer Fernseher nicht.“ Gut, dem Fortschritt muss man eben Opfer bringen. Das neue TV-Gerät ließ sich problemlos nach Hause tragen, und auch die Installation klappte tadellos. Die Videokassetten haben wir nebst Rekorder im Keller eingemottet. Der neue Fernseher funktioniert prima. Die Fernbedienung ist so futuristisch, dass ich noch nicht entdeckt habe, wie man Videotext aufrufen könnte. Aber wer braucht das schon? Das TV-Bild ist toll und manchmal auch beängstigend groß. Jetzt freuen wir uns auf die Fußball-WM in Russland und hoffen auf die erfolgreiche Titelverteidigung von Jogis Jungs. Wir sind gespannt, wie lange der neue Apparat hält – bevor wir wieder Schiller zitieren müssen. Unsere Erwartungshaltung liegt bei 16 Jahren. Die Kolumne Fünf Redakteure berichten für die RHEINPFALZ über Ludwigshafen. Ihre Erlebnisse aus dem (Arbeits-)Alltag nehmen die Redakteure in der Kolumne „Quintessenz“ wöchentlich aufs Korn.

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