Ludwigshafen Zum Texten in den Turm

Tania Witte tritt auch gern als „Spoken Poetry Performerin“ auf.
Tania Witte tritt auch gern als »Spoken Poetry Performerin« auf.

Seit 2007 vergibt die Stadt Mannheim alle zwei Jahre das „Feuergriffel“-Stipendium, das einzige Stadtschreiber-Stipendium in Deutschland, das Autoren von Kinder- und Jugendbüchern vorbehalten ist. In diesem Jahr wird Tania Witte von April bis Juli das Turmzimmer in der Alten Feuerwache beziehen. Gestern hat sich die Schriftstellerin vorgestellt.

Aus 37 Bewerbungen hat eine achtköpfige Jury die Schriftstellerin und Journalistin ausgewählt. Beworben hat sich Tania Witte mit einem Exposé, in dem es um eine Jugendliche mit psychischen Problemen geht. Die 15-jährige Ixi ist eigentlich eine gute Schülerin und wächst in einem nicht spießigen Elternhaus auf. Als sie Probleme bekommt, findet sie sich in der psychiatrischen Anstalt „Sonnenblick“ wieder. Die Jury, der neben Vertretern der Frankfurter Buchmesse, der Universität Mannheim, des Instituts für deutsche Sprache und des Goethe-Instituts auch zwei Jugendliche angehört haben, war von dem Text wegen des „wichtigen Themas“ angetan. Er greife Probleme auf, „über die oft nicht offen gesprochen wird, die aber für viele Kinder und Jugendliche relevant sind“, heißt es in der Begründung. Und weiter: „Der Leser wird gut abgeholt, und die Autorin schafft es, in einem beeindruckenden Text einen tollen Spannungsbogen aufzubauen.“ Ihr Text sei fiktiv, sagte die Autorin selbst. Er basiere aber auf Gesprächen und Begegnungen mit Jugendlichen. Wie Tania Witte weiß, ist Burn-out, eine aus Überforderung hervorgehende emotionale Erschöpfung, die oft mit Depressionen einhergeht, schon bei Jugendlichen nicht selten. „Was ist eigentlich los mit unserer Gesellschaft? Den Jugendlichen heute fehlt die Erdung, mit der meine Generation noch aufgewachsen ist“, meinte die 44-jährige Schriftstellerin. 2014 hat sich Tania Witte schon einmal um das „Feuergriffel“-Stipendium beworben. Der Text damals trug den Arbeitstitel „Vom Finden“ und war zusammen mit Antje Wagner, der „Feuergriffel“-Stipendiatin des Jahres 2009, abgefasst. Aus dem Exposé ist das Buch „Der Schein“ hervorgegangen, das Tania Witte im vergangenen Jahr unter dem Pseudonym Ella Blix herausgebracht hat. Unter ihrem wirklichen Namen sind außerdem seit 2011 die Romane „beziehungsweise liebe“, „leben nebenbei“ und „bestenfalls alles“ erschienen. Noch in diesem Jahr soll im März der Jugendroman „Die Stille zwischen den Sekunden“ herauskommen und im nächsten Jahr – wieder unter dem Pseudonym Ella Blix – „Feel Nature“. Außerdem hat Tania Witte als Journalistin Kolumnen, Interviews, Porträts für Frauenzeitschriften, das „Zeit“-Magazin und die „Tageszeitung“ geschrieben. 2017 war sie Stipendiatin des Künstlerhauses Edenkoben. Die gebürtige Triererin, die in Landau Medienpädagogik und Erwachsenenbildung studiert hat, lebt in Berlin und Den Haag. In beiden Städten, aber auch anderswo in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in den Niederlanden und den USA tritt sie gern als „Spoken Poetry Performerin“ auf, das ist Poetry Slam ohne Wettkampfcharakter. Sie leitet regelmäßig Workshops zu Poetry Slam und kreativem Schreiben und will solche auch während ihres dreimonatigen Aufenthalts in Mannheim anbieten. Das ist ganz im Sinne der Stadt Mannheim, die mit dem Stipendium bei Kindern und Jugendlichen ein Interesse an Literatur wecken möchte. „Wir haben uns der Leseförderung verschrieben“, sagte Bürgermeisterin Ulrike Freundlieb gestern bei der Vorstellung der Stipendiatin. „Sie ist gelungen, wenn Kinder aus freien Stücken zu Büchern greifen.“ Das „Feuergriffel“-Stipendium ist mit 9000 Euro dotiert. Davon werden 3000 Euro erst ausbezahlt, wenn aus dem Aufenthalt in Mannheim ein Buch hervorgegangen ist, wie dies seitens der Stadt und der Stadtbibliothek Mannheim als Organisatorin erwünscht und erhofft ist. Der bekannteste unter früheren Stipendiaten ist Saša Stanišic, der bald nach seinem Mannheim-Aufenthalt im Jahr 2013 mit dem Roman „Vor dem Fest“ den Preis der Leipziger Buchmesse gewann. Termine Antrittslesung aus „Die Stille zwischen den Sekunden“ am Dienstag, 9. April, um 19 Uhr, Abschlusslesung mit Preisverleihung am Montag, 1. Juli, um 11 Uhr in der Stadtbibliothek im Dalberghaus N 3,4. Um Anmeldung unter der Rufnummer 0621/293-8912 wird gebeten, auch für Lesungen vor Schulklassen und Workshops.

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