Wochenspiegel Zwei SPD-Frauen gehen – die eine laut, die andere leise

Weg damit!
Weg damit!

Jutta Steinruck I: Kommunales Fanal

Eines hat Jutta Steinruck mit ihrem am Dienstag gegenüber der RHEINPFALZ erstmals bestätigten SPD-Austritt bereits Mitte Juli erreicht: Sie ist bundesweit Gesprächsthema. Selbst der Zeitung mit den vier Großbuchstaben ist das Protest-Fanal aus Ludwigshafen eine Nachricht wert. Ob der von Steinruck damit angeblich bezweckte Weckruf für die Genossen in Mainz und Berlin dort tatsächlich erhört und nicht nur gehört wird, bleibt abzuwarten. Der erste Reflex ist der übliche: kleinreden, abwiegeln, widersprechen. Verbunden mit der Bemerkung: Deswegen muss man doch nicht gleich die Partei verlassen, die einem über 27 Jahre hinweg die politische Karriere geebnet hat. Stimmt. Muss man nicht. Aber wenn man – wie Steinruck – das Gefühl hat, selbst in den eigenen Reihen nicht ernstgenommen zu werden, kann einem das rote Parteikleid schon mal zu eng werden. „Ich weiß, dass jetzt ein Tsunami über mich hereinbricht“, sagte sie im RHEINPFALZ-Gespräch. „Aber das beruhigt sich auch wieder.“ Mag sein. Die Probleme der Kommunen bleiben. Das beklagen auch viele ihrer OB-Kollegen.

Jutta Steinruck II: Schlechtes Klima

Die Reaktionen auf Jutta Steinrucks Rücktritt sind geteilt. Die einen zollen ihr Respekt für ihren Mut, den sie schon bei ihrer Wutrede Ende Januar im Stadtrat in die Waagschale warf, als sie mit der Finanzpolitik der vergangenen 30 Jahre abrechnete. Die anderen fordern ihren Rücktritt, sehen einen Verrat an der Partei und unterstellen ihr persönlichen Geltungsdrang. Es ist wohl von allem ein bisschen was dran. Was das Fass letztlich wirklich zum Überlaufen brachte, weiß nur sie selbst. Der vermeintliche bildungspolitische Blackout mit Blick auf die Missstände in der Gräfenauschule war wohl der eine Tropfen zu viel, die dürftige Finanzausstattung der zweite. „Wir brauchen gerade in dieser Zeit mit ihren großen und komplexen sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen eine verlässliche, den Aufgaben angemessene Unterstützung von Landes- und Bundesregierung, anstelle von finanziellen Daumenschrauben, bürokratischen Bremsklötzen und ständig neuen Aufgaben, für deren Erledigung wir eben nicht die notwendigen Ressourcen erhalten“, sagte Steinruck dazu – mit Verweis auf das häufig zitierte Konnexitätsprinzip, also: Wer bestellt, der soll gefälligst auch bezahlen.

Verhältnis zerrüttet

Eine weitere Ursache für ihren Austritt ist mit Sicherheit das inzwischen völlig zerrüttete Verhältnis zur Ludwigshafener SPD-Spitze gewesen. Von den Verantwortlichen fühlte sie sich weder unterstützt, noch wertgeschätzt. Öl ins Feuer gegossen hat Steinruck vermutlich auch selbst mit ihrer bisweilen schroff-direkten Besserwisserei. Dass diese Risse nicht mehr zu kitten waren, wirft kein gutes Licht auf das Betriebsklima bei den Roten, die in der Vergangenheit vor allem mit einer Eigenschaft geglänzt hatten: Geschlossenheit.

Das ist – nach Steinrucks Einschätzung – Geschichte: „Meine SPD, wie ich sie vor fast 30 Jahren kennengelernt habe, hat alles bis zu den Menschen vor Ort gedacht. Sie hat zugehört, hingeschaut, erklärt, soziale Folgen von Entscheidungen abgefedert und Wirtschafts- und Industriepolitik als lokale Arbeitsmarktpolitik verstanden. Doch das alles hat sich geändert“, zeichnet die 60-Jährige ein düsteres Bild ihrer Ex-Partei.

Erst die Spaltung der Grünen, dann die Machtkämpfe bei der AfD, nun der Scherbenhaufen bei den Genossen. Vertrauensbildende Maßnahmen ein Jahr vor der Kommunalwahl sehen anders aus. Die Konkurrenz grinst sich einen.

Heike Scharfenberger: Stiller Abgang

Sie war über Jahre eine der einflussreichsten Politikerinnen in der Stadt, das weibliche Gesicht der SPD. Jetzt hat sie sich leise ins Privatleben zurückgezogen. Der Abgang von Heike Scharfenberger, die im Landtag für den neuen Hoffnungsträger Gregory Scholz Platz gemacht hat, entspricht ihrem Politikverständnis: zuhören, statt vorpreschen, in der Mannschaft spielen, statt den Kapitän rauszuhängen. Die neue Fraktionschefin durfte einst die Scherben zusammenkehren, die ihr hemdsärmeliger Vorgänger Ulrich Küppers verunsicherten Genossen hinterlassen hatte. In der großen Koalition hat sie den Juniorpartner SPD unaufgeregt aus einem Tal der Tränen herausgeführt. Dass sie vor vier Jahren als Ortsvorsteherin überraschend abgewählt wurde, dass plötzlich zu Ende war, was vor 20 Jahren in Ruchheim begonnen hatte, hat Scharfenberger geschmerzt. Öffentlich hat sie ihre Wunden nicht geleckt, hat vielmehr ihren Abgang aus der Politik eingeleitet. Und jetzt nahezu unbemerkt vollzogen, ohne große Worte, ohne Larmoyanz. Typisch Heike Scharfenberger eben.

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