Neustadt 104. Geburtstag: Erinnerungen aus mehr als einem Jahrhundert

Lebt seit 1981 in Neustadt: Erika Ibach.
Lebt seit 1981 in Neustadt: Erika Ibach.

Am 25. April feiert Erika Ibach ihren 104. Geburtstag. Gratulieren werden ihr Angehörige, Mitbewohner, Vertreter der Stadt und das Team des GDA-Wohnstifts, wo sie ein Appartement bewohnt. Die agile Frau schaut auf ein bewegtes Leben zurück. Und genießt jeden sonnigen Moment inmitten des blühenden Gartens.

Rasant kurvt Erika Ibach mit ihrem elektrischen Rollstuhl durch die Flure des GDA-Wohnstifts. Kaum jemand kann ihr zu Fuß folgen. Sie kommt gerade von einem ihrer Lieblingsplätze in der weitläufigen Anlage. Die 104-Jährige liebt die Sonne, entsprechend gebräunt erscheint sie. Und gut gelaunt. Der Schabernack blitzt verschmitzt aus ihren Augen. In der täglichen Mittagstischrunde ist sie eine gerngesehene Tischnachbarin. Man liebt ihren Witz und ihre Lebensfreude.

Erika Ibach genießt die tägliche Gesellschaft im Wohnstift und hält gerne ein Schwätzchen mit ihren Nachbarn. Doch ebenso mag sie die Ruhe. Dass sie nicht mehr gut zu Fuß ist, ärgert sie, war sie doch immer ein sehr aktiver und umtriebiger Mensch. In ihren jungen Jahren war sie lange Zeit eine aktive Sportlerin, die schon früh für ihren Verein Wettbewerbe bestritt und viele Medaillen gewinnen konnte. Sie spielte Handball, schwamm, turnte, war exzellent in Leichtathletik. Erst auf Drängen ihres Ehemanns beendete sie 1956 gezwungenermaßen ihre sportliche Karriere. Die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde, empfand er als unschicklich. Es waren damals andere Zeiten.

Erinnerungen an den Krieg

Erika Ibach wurde 1920 in St. Tönis in der Nähe von Krefeld geboren. Dort erlebte sie mit ihren Eltern und zwei Geschwistern die Wirren des Zweiten Weltkriegs. In unmittelbarer Nähe zum Ruhrgebiet tobten die Kampfhandlungen besonders schwer. Sie erinnert sich, dass die Bomben jede Nacht fielen. Die Menschen lebten in den Luftschutzkellern. Nach einem besonders schweren Bombardement sei sie am nächsten Morgen mit dem Fahrrad umhergefahren und konnte die Zerstörung kaum fassen. Alles sei „abrasiert“ worden, erzählt sie. Eine Luftmine, die über ihnen detonierte, hinterließ ein wahres Trümmerfeld. Von der unvorstellbaren Druckwelle seien sogar ganze Häuser verschoben worden, erinnert sie sich.

Nach dem Kriegsende hörte die Zerstörung auf, aber nicht der Hunger. „Wir hatten Glück, denn wir konnten noch etwas anbauen und hatten Güter zum Tauschen“, berichtet sie. Es sei die Ramschzeit gewesen, in der alles Hab und Gut gegen Lebensmittel eingetauscht und verscherbelt wurde. „Wir haben gespottet, dass so mancher Bauer nun Teppiche in die Kuhställe legen konnte.“ 1948 heiratete sie ihren Mann, der schwer gezeichnet aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Es war nicht leicht, ein Hochzeitskleid zu organisieren, doch schließlich fand sie ein schönes weißes Kleid. Man wurde sich handelseinig. Der Preis: zwei Zentner Briketts.

In der Pfalz „richtig durchatmen“

Erika Ibach arbeitete in der Textilindustrie. Der Krefelder Raum war bekannt für seine Seidenwebereien. Sie richtete Webstühle ein und war in der Webvorbereitung tätig. Ende der 1970er-Jahre ging sie in Pension. Das Ehepaar reiste gerne in den Süden. Dabei kamen sie häufig durch die Pfalz. In Mußbach wohnten Verwandte der Ibachs, die immer von der Region schwärmten. „Hier kann ich richtig durchatmen“, stellte ihr Mann während eines Besuchs fest.

Kurzerhand beschlossen sie, 1981 nach Neustadt zu ziehen. Die Wahl fiel auf Lachen-Speyerdorf. Sie erwarben ein Haus mit großem Garten, erkundeten die Gegend beim Wandern oder per Rad. Im September 2006 verstarb ihr Mann. Erika Ibach blieb noch vier Jahre in ihrem Haus, doch der Garten und der Haushalt, den sie bis dahin alleine geführt hatte, wurden ihr zu viel. Seit nun 14 Jahren lebt sie im GDA-Wohnstift. Erst im vergangenen Jahr nahm sie an einer Reportage des ZDF teil, die über Hundertjährige berichtete. „Ich werde häufig gefragt, wie man es schafft, so alt zu werden. Ehrlich gesagt – ich weiß es nicht.“

x