Neustadt Ausgefeilte Orchesterkultur

«Neustadt». In der wie stets sehr gut besuchten Reihe der „Kurpfalzkonzerte“ war am Donnerstag das Sinfonieorchester der Musikhochschule Mannheim im Saalbau zu Gast – und beglückte unter Leitung des auf internationalem Parkett höchst präsenten Stefan Blunier, seit 2017 Professor für Orchesterleitung an der Hochschule, mit einer rundum vitalen Performance auf bemerkenswert professionellem Niveau.

Das Attribut professionell – Vorsicht sei da geboten, ist der zu erwartende Einwurf. Tatsächlich aber ist es so: Wer heutzutage einen Hochschulplatz im Studiengang Orchestermusik ergattert, hat „Jugend musiziert“-Prämierungen, Orchestererfahrungen in überregionalen Ensembles etc. schon hinter sich. Kommt bereits als Könner an die Kaderschmiede. Wer selbige dann examiniert verlässt, wird sich als hochqualifizierter Solist einreihen in die (bei den Streichern beispielsweise) oft zwei- bis dreistellige Schlange der Bewerber um einen einzigen Orchesterplatz der zusehends von Stellenkürzungen heimgesuchten Ensembles. Die Hochschule bietet zwischenzeitlich einen Art Schutzraum, ist Ort des Ausprobierens, Kräftemessens und der Auseinandersetzung mit der Fülle der Repertoires. Dies alles bündelte, wenn auch unterschwellig, der großartige Konzertabend im unspektakulären Rahmen der nachwuchsfreundlichen 18-Uhr-Zeit. Stefan Blunier, der seinen üppig besetzten Orchesterapparat mit einer auch optisch faszinierenden Mixtur aus präzisem Schlag und gestisch-mimischer Suggestiv-Choreographie inspirierte, hatte mit Brittens „The Young Person’s Guide to the Orchestra“ und Gershwins „Ein Amerikaner in Paris“ als Rahmenwerken des Abends zwei geradezu exemplarische Lehrstücke ausgefeilter Orchesterkultur gewählt. Benjamin Brittens Stück ist eine Art Markt der Möglichkeiten. Thematisch geerdet im Urgrund britischer Barockmusik, bei Henry Purcell, zudem mit formaler Stringenz gebastelt, stellt das Werk jede einzelne Instrumentalgruppe – Violinen, Hörner, Klarinetten, Schlagwerk und so weiter – momentweise in einem festlich illuminierten Schau(Klang-)fenster vor. Während die Tutti-Kollegen sich derweil durch eine Art Musterkatalog artifiziellen Begleitspiels zwischen peitschender Rhythmik und gehauchter Elegie buchstabieren. Das alles präsentierten die jungen Musiker wirkmächtig, in vorzüglichem Einvernehmen, mit ebenso viel Eifer für Präzision wie Eleganz und Verve. Und rollten damit den ausnahmslos bravourösen Solo-Aktionen einen komfortablen roten Teppich aus. Gleiches gilt für das Abschlusswerk, George Gershwins gefühlvolle Hommage an Paris aus den späten 1920er Jahren, das das nicht zuletzt im Bereich Perkussion üppig aufgestellte Orchester mit einem Höchstmaß an Schwung, Süffisanz und köstlichen Solo-Einlagen (Violine, Tuba!) über die Rampe schickte. Apropos Solo – da hielt der Mittelteil wunderbare Spielwiesen bereit und stellte zwei im doppelten Sinne fundamentale Instrumente in den Fokus. Mit dem „Grande Allegro für Kontrabass“ des Frühromantikers Giovanni Bottesini versetzte der bereits hoch prämierte portugiesische Kontrabassist José Trigo in bares Staunen mit fantastisch unangestrengtem Zugriff auf all den virtuosem Zierrat in den Ecksätzen des Werks, vor allem aber mit der melodisch weichen, dabei so leuchtend obertonreichen Diskantpalette seines Instruments. Der 22-jährige Felix Schwamm wiederum, auch er ausbildungsbegleitend bereits mit überregionalen Orchestern unterwegs, präsentierte mit dem F-Dur-Konzert, op. 75, von Carl Maria von Weber eins der formidablen Standard-Werke für Fagott. Und er agierte technisch brillant, ließ das figurale Girlanden-Geflecht auftrumpfend sprudeln, gefiel nicht zuletzt vor allem durch die berückend differenzierende Gestaltung und atemberaubende samtige Pianos, vor allem im gefühlvollen Adagio. Die auf Kammerbesetzung reduzierte Orchestergemeinschaft begleitete jeweils achtsam, nobel und in treuer Gefolgschaft der charismatischen Direktiven vom Pult.

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