NEUSTADT Deutsch-Deutscher Kammerchor in der Stiftskirche

Hannelore Pardall am Pult des Deutsch-Deutschen Kammerchores in Neustadt.
Hannelore Pardall am Pult des Deutsch-Deutschen Kammerchores in Neustadt.

Im Rahmen der Gastkonzerte in der Stiftskirche versetzte der Deutsch-Deutsche Kammerchor mit seiner fantastischen Leiterin Hannelotte Pardall das Auditorium in Beifallseuphorie. Stefan Kießling brillierte mit zwei Intermezzi an der Orgel.

Im Vorwendejahr 1989 war es, und somit noch zu Zeiten der real existierenden deutschen Teilung – da schmiedete die damalige Dozentin Hannelotte Pardall jenen Pakt, der Studiosi der Kirchenmusikschulen Herford und Halle sozusagen auf Flügeln des Gesangs grenzüberschreitend einander näher brachte. Und auch nach 35 erfolgreichen, mit unzähligen Projekten und Konzertreisen gesättigten Jahren, mit sich immer mal regenerierenden Besetzungen, verkörpert der Deutsch-Deutsche Kammerchor – der die Suffixe „West“ und „Ost“ geflissentlich vermeidet - ein kostbares Stück hiesiger Kulturgeschichte.

Dass zumindest da längst zusammengewachsen ist, was zusammengehört, durfte ein zahlreiches Publikum beim großartigen Gastauftritt des Ensembles am Dienstag in der Stiftskirche eindrucksvoll miterleben. Mit drei exzellenten Werken aus der doppelchörigen A-Cappella-Literatur hatte Hannelotte Pardall – als legendäre Chorleitungsprofessorin der Musikhochschule Hamburg schon ein Weilchen emeritiert, aber immer noch gerne angefragt – das aktuelle Sommerprojekt ihrer mit ungebrochener Hingabe gepflegten Chorgemeinschaft bestückt.

Werke aus drei Epochen

Werke aus drei Epochen mit jeweils höchst eigener emotionaler Befindlichkeit waren das. Und bestens geeignet, die eindrucksvoll breite Ausdruckspalette dieser quer durch das Generationenspektrum aufgestellten Chorgemeinschaft zu dokumentieren. Da war zum Einen die Motette „Jauchzet dem Herren alle Welt“ (BWV Anh. 160), die sich nicht allein ihrer etwas diffusen Autorenschaft wegen, sondern wohl vielmehr ihrer hochvirtuosen und höchst effektvollen Ausgestaltung der Ecksätze seltener in Konzertprogrammen findet.

Freilich, Hannelotte Pardalls vorzüglich vorbereitetes Ensemble schien das Koloraturenseufzer sonstige Affektgeflecht dieses Pasticcios verschiedener Provenienzen geradezu genussvoll auszubreiten, während die äußerst beredte Zeichengebung vom Pult die Konturen klar und das architektonische Geflecht wunderbar transparent offenlegte. Die „Hymn of the Creator of the Light“ des zeitgenössischen Komponisten Sir John Rutter führte in einen ganz anderen, eher meditative, aber sich ständig erweiternden Kosmos. Und John Rutter, der unlängst vom König geadelte erklärte Traditionalist im zeitgenössischen Gewand, lässt seine harmonischen Geflechte weit ausholen und mittels der Parameter äußerst differenzierten Ausdrucks zu wahren Domen wachsen.

Was sich als prachtvoll aufblühender Spektralklang in der äußerst dichten und engagierten Diktion Pardalls entfaltete.

Im Melos der Hochromantik

Josef Gabriel Rheinbergers „Cantus Miss“ in Es-Dur wiederum führte mitten hinein das hinreißendste Melos der Hochromantik. Ein Werk, das weite Stimmumfänge und jede Art subtilster dynamischer Gestaltung nachdrücklich einfordert.

Mit ihrem Deutsch-Deutschen Kammerchor konnte Hannelore Pardall all dies auf geradezu exemplarische Weise einlösen. Die Intonation stimmte durchweg vorzüglich, der Gesamtklang war ausgewogen, die prachtvoll aufblühenden Soprane geradezu eine Sensation und die Artikulation in allen Stimmen präsent. Nicht zuletzt waren es die überaus fein gesponnene Dynamik, die fantastisch aufkeimenden und sanft abebbenden Crescendi, das nuancenreiche Wechselspiel der alerten mit den stilleren Phasen und die ausdrucksvoll verklingenden Schlussphrasen, die sich in Pardalls nachdrücklicher Zeichengebung zum Niederknien schön formten.

Romantischer Zauber

Zwischen den Vokal-Kompositionen zitierte der Leipziger Konzertorganist Stefan Kießling zweimal Johann Sebastian Bach ins Geschehen. So brachte die zweite Partita aus dem ersten Band der Clavierübung dem vielgereisten Interpreten beste Gelegenheit, das phänomenale Farbenspektrum der Edskes-Orgel zum Klingen zu bringen. Er tat dies mit eloquenter Fingertechnik und in ebenso geschmackvoller wie spürbar spiellauniger Weise. Ruhiger, meditativer dann die Deutung im sorgsam ausgeleuchteten Choralvorspiel „Schmücke dich, o liebe Seele“ aus der Sammlung der achtzehn Leipziger Choräle.

Für rauschenden Beifall ließen Hannelotte Pardall und ihr vorzügliches Ensemble die Zuhörerschaft mit Josef Rheinbergers berühmtem „Abendlied“ noch einmal tief im romantischen Zauber versinken.

x