Neustadt Die Kirche im Leben der Stadt verankert

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Neustadt. „Wir müssen etwas tun“, dieser Gedanke von Christiane Conrad nach einer Sitzung des Presbyteriums der Stiftskirchengemeinde vor zehn Jahren gab den Anstoß zur Gründung des Bau- und Fördervereins Stiftskirche, dessen Vorsitzende Conrad seit Anbeginn ist. Inzwischen hat der Verein 380.000 Euro Spenden für die Stiftskirche gesammelt und die Innenrenovierung und die Anschaffung der neuen Chororgel tatkräftig begleitet. Für diese Herkulesleistung wird er am kommenden Samstag mit dem Neustadter Kulturpreis 2016 des Stadtverbands für Kultur ausgezeichnet.

Die Ausgangslage war 2006, dass im protestantischen Teil der Stiftskirche eine dringend nötige umfassende Sanierung anstand, die Gemeinde dafür aber nicht genug Geld hatte. Conrad sprach mit Angelika Weigand und Cornelia Brunner, und die drei Frauen beschlossen, einen Förderverein zu gründen. Sie fanden schnell Mitstreiter, unter anderem die bekannten Neustadter Christoph Bachtler, den inzwischen verstorbenen Götz Hofmann und Frank Sobirey, der heute stellvertretender Vorsitzender des Bau- und Fördervereins ist. Sobirey stellte auch den Kontakt zum Neustadter Lions-Club her, der aus Anlass seines 50. Jubiläums eine größere Summe für ein Neustadter Charity-Projekt spenden wollte. Der Plan, die historische Trennmauer zwischen dem protestantischen und dem katholischen Teil der Stiftskirche zu entfernen, sei dabei ein weiterer wichtiger Impuls für die Gründung gewesen, erinnern er und Dekan Armin Jung sich. Das sei zwar nie als Vereinszweck festgelegt worden, „aber es war in den Köpfen der Leute“. Er habe damals den Satz geprägt, „Wir verkaufen die Mauer“, weiß Sobirey noch. Die Steine der Trennmauer sollten ähnlich wie die Brocken der Berliner Mauer veräußert und der Erlös in die Renovierung der Stiftskirche investiert werden. Als das Bischöfliche Ordinariat in Speyer dann entschied, dass die Mauer bleibt und der katholische Teil der Kirche den Tridentinern, die die Messe im alten römischen Ritus in lateinischer Sprache feiern, zur Verfügung gestellt wird, „haben wir das als ziemlichen Rückschlag empfunden“, sagt Sobirey. „Viele haben Angst gehabt, dass die Mauer dicker wird, aber wir haben einen sehr guten Kontakt zu den Tridentinern“, berichtet Conrad. Deren Vorsitzender ist sogar im erweiterten Vorstand des Bau- und Fördervereins, und Conrad schließt die Tür zum katholischen Teil der Stiftskirche täglich auf, damit dieser ebenso wie der evangelische besichtigt werden kann. Der Bau- und Förderverein wechselte von Mauer- zu Bodensteinen. Die Bodenplatten der Kirche mussten erneuert werden, und man entschloss sich, dies über Spenden zu finanzieren. „Wir wollten keine symbolischen Bausteine, sondern jeder sollte wissen, das ist meine Bodenplatte, für die ich bezahlt habe“, erzählen Conrad und Sobirey. Architektin Angelika Weigand, die zum erweiterten Vorstand gehört, erstellte einen Plan mit Platten unterschiedlicher Größe, die für 50 bis 2000 Euro an Paten abgegeben wurden. 81.000 Euro kamen so zusammen. Conrad erzählt, dass viele Spender bei Besuchen in der Stiftskirche nach „ihrer“ Platte schauen und ein kleines Mädchen sogar regelmäßig mit der Oma kommt, um „seinen“ Abschnitt in der Kirche zu kehren. Das Prinzip „Spende für ein bestimmtes Objekt“ wurde auch bei der nächsten Aktion beibehalten, bei der Pfeifen für die neue Chororgel zu finanzieren waren. 93.000 Euro sind bisher zusammengekommen, „Ich schaffe dieses Jahr noch die 100.000 Euro“, ist Conrad überzeugt. Der Förderverein werde aber nicht nur mit Geld unterstützt, berichtet Sobirey. So habe beispielsweise der Neustadter Thomas Gottschalk mit seiner Agentur „Das Team“ kostenlos Werbebroschüren für die Orgelpfeifen-Aktion und Urkunden für die Spender gestaltet. Und es seien auch bei weitem nicht nur große Spenden, die der Bau- und Förderverein erhält. „Mir drücken immer wieder Leute drei oder fünf Euro in die Hand und sagen, ich will etwas für die Stiftskirche tun“, erzählt Conrad. Sie weiß, dass es manchem schwerer fällt, drei Euro zu geben als einem anderen 3000. 55.000 Euro, die der Lions-Club für die Sanierung der Deckenmalereien, und 20.000 Euro, die die Rotarier für die Absenkung des Altarvorraums gespendet haben, stehen ebenfalls aus der Habenseite. Der Altarvorraum liege jetzt auf gleicher Höhe wie der angrenzende katholische Teil der Stiftskirche, verrät Dekan Jung. Eine weitere Einnahmequelle des Bau- und Fördervereins sind zahlreiche Veranstaltungen, seien es kulturelle Aktivitäten, ein Bauwagen mit Aktionen für Kinder auf dem Weihnachtsmarkt oder die Versteigerung von Stühlen, die Neustadter Künstler bemalt haben. „Da ist Christiane Conrad der Motor, ohne sie ginge das nicht, sie übernimmt die meiste Arbeit, sie ist jeden Tag für die Stiftskirche im Einsatz“, lobt Sobirey. Spenden und die Suche nach Sponsoren seien aber nur ein Teil der Arbeit, sind sich Conrad, Sobirey und Jung einig. Genauso wichtig sei das Konzept „Offene Stiftskirche“. Der Verein habe erreicht, dass die Stiftskirche im Bewusstsein der Neustadter inzwischen viel verankerter ist als früher, dass sie Bedeutung für das Leben in der Stadt hat und ein Teil dieses Lebens ist. Sie habe sich zu einem kulturellen Treffpunkt entwickelt, sei ein Ort der Begegnung und auch ein Faktor beim Tourismus, sagt Jung. „Wir haben in zehn Jahren viel erreicht“, freut sich Sobirey. Was der Verein nach Abschluss der Orgelpfeifen-Spendenaktion angehen will, ist noch offen. Mit einem kleineren Betrag wird man sich eventuell an der Sanierung des Küsterhäuschens durch das Bistum beteiligen, in dem sich der Verein dann auch ein Büro einrichten könnte. „Es gibt immer etwas, was zu tun ist. Wenn die Großprojekte bewältigt sind, geht die Arbeit erst richtig los. Dann müssen wir uns um die regelmäßig anstehenden Erhaltungsmaßnahmen kümmern“, sagt Conrad. „Der Kulturpreis ist eine tolle Anerkennung der Stadt für unsere Arbeit“, sind sich Conrad, Sobirey und Jung einig. Neben Conrad und Sobirey sind Pfarrer Oliver Beckmann, Bernd Fischer und Helmut Nether im Vorstand des Vereins, der aktuell 125 Mitglieder hat. Termin Der Bau- und Förderverein Stiftskirche erhält den Kulturpreis am Samstag, 8. Oktober, um 19 Uhr im protestantischen Teil der Stiftskirche überreicht. Die Laudatio hält der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad. |Fotos: lm (3)

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