Wochenspiegel Die Stadtknechte heißen heute anders

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Bei der ersten Sitzung des Stadtrats warf der Oberbürgermeister einen Blick in die Historie des Gremiums.

Volles Haus im Neustadter Stadtrat: Zum Auftakt der aktuellen Legislaturperiode am Dienstagabend strömte ein Mehrfaches der sonst üblichen Zuschaueranzahl in den Ratssaal. Bei sommerlichen Temperaturen wurde das Publikum auch nicht über Gebühr strapaziert, nach etwa einer Stunde war die Tagesordnung abgearbeitet. Doch war es für die Zuschauer auch interessant, was da geboten wurde? Inhaltlich wurde kaum diskutiert, viele Formalia waren zu Beginn der Legislaturperiode zu erledigen. Darauf wies Oberbürgermeister Marc Weigel eigens hin, es sei eben keine typische Ratssitzung.

Vielleicht hat sich das Stadtoberhaupt deshalb gedacht, auch für ein wenig Unterhaltung sorgen zu müssen – und zog dafür das „Rote Buch“ zurate, was in dem Fall kein Handbuch für Kommunisten ist, sondern eine im 14. Jahrhundert begonnene Sammlung wichtiger Rechtsdokumente der Stadt Neustadt.

Angelehnt an die zwölf Apostel

Konkret blickte Weigel darauf, wie der Stadtrat damals arbeitete. Zwölf Mitglieder hatte das Gremium seinerzeit, eine „Idealzahl“, angelehnt an die zwölf Apostel, was Heiterkeit auslöste. Mittlerweile gibt es 44 Stadträte, Weigel beeilte sich auch zu erwähnen, dass die Einwohnerzahl seither in etwa gleichem Maß gestiegen sei. Womöglich sah er vor seinem geistigen Auge Kritiker, die über eine Aufblähung des Gremiums räsonierten.

Staunend wurde dann vernommen, dass der Rat damals die Marktpreise und die Brotgewichte festlegte und für die Mobilmachung im Kriegsfall zuständig war. Eine Aufgabe, auf die heutige Ratsmitglieder sicher gerne verzichten.

Zuständig war der Stadtrat auch für die Ernennung der Stadtknechte. Hier sorgte Weigel für Lacher, als er hinzufügte, heute heiße das KVD, also Kommunaler Vollzugsdienst, die uniformierten Mitarbeiter des Ordnungsamts. Das war übrigens keine abschätzige Äußerung des OB, denn zu den Aufgaben der Stadtknechte gehörte tatsächlich die Wahrung der öffentlichen Ordnung.

Üble Nachrede wurde teuer

Die Ratsmitglieder damals waren unbestrittene Respektspersonen. Wer sich ihnen gegenüber der üblen Nachrede schuldig machte, musste 100 Gulden zahlen, deutlich mehr als der Jahreslohn eines Arbeiters. Aber es wurden auch hohe Anforderungen gestellt. Nahm ein Mitglied ohne triftigen Grund und ohne Entschuldigung an einer Sitzung nicht teil, verlor es sein Amt.

Sprach ein Ratsmitglied übrigens abfällig über ein anderes, war der Rat aufgefordert, dem Angegriffenen zu seinem Recht zu verhelfen. Und hier wurde der Oberbürgermeister ernst, denn auch heute sei es wichtig, sich „nicht mit übler Nachrede zu überziehen, außerhalb dieses Hauses und innerhalb dieser Mauern“. Weigel bat darum, „fair und höflich miteinander umzugehen“.

Bei der ersten Sitzung des neuen Stadtrats hat das auch gut geklappt.

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