Neustadt „Ein gutes Auto, ein guter Ingenieur, ein starkes Team“

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Neustadt. Rein rechnerisch hat Jamie Green noch Chancen auf den Titel im Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM). Der Fahrer des Neustadter Teams Rosberg hat vor dem Saisonfinale am Wochenende in Hockenheim als Dritter 39 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Marco Wittmann (BMW/176). Dazwischen liegt noch Greens Audi Kollege Edoardo Mortara (162). Im Interview äußert er sich über seine Chancen, Freundschaften unter den Fahrern und seine Zukunft.

Herr Green, wie viel Geld würden Sie auf sich setzen, dass Sie noch Meister werden?

Ich bin kein Zocker. Aber auch wenn ich einer wäre, wäre es nicht arg viel. Realistisch betrachtet, ist meine Chance sehr klein. Die Chancen auf die Meisterschaft liegen in den Händen von Marco Wittmann und Edo Mortara. Sie haben deutlich mehr Punkte als ich. Geben Sie Vollgas? Oder heißt es für Sie: Ich bremse für meinen Markenkollegen Edo? Im Qualifying will ich auf alle Fälle das Maximum herausholen. Danach werden wir bei Audi schauen, welche Auswirkungen das aufs Rennen hat. In diesem Jahr wurde viel über Teamorder gesprochen. Würde es Ihnen schwer fallen, Ihren Markenkollegen Edoardo Mortara vorbei zu lassen, wenn er direkt hinter Ihnen auftauchen würde? Für uns Fahrer ist das nicht unbedingt schön. Aber in der DTM gibt es acht Fahrer, die für einen Hersteller fahren. Die alle glücklich zu machen und zufrieden zu stellen, ist nicht einfach. Irgendwann einmal muss es eine Teamorder geben. Wie das funktionieren kann, haben wir im vergangenen Jahr bei Mercedes gesehen, als alle Fahrer für Pascal Wehrlein gefahren sind. Und der dann auch Meister wurde. Wenn Audi also sagt, wie ich in diesen beiden Rennen zu fahren habe, dann ist das für mich okay. In Moskau und am Nürburgring hatten Sie zwei Unfälle. Ärgern Sie sich noch darüber? Ohne diese Crashs hätten Sie beste Chancen auf den Titel. Natürlich ärgere ich mich noch ein wenig, denn diese beiden Unfälle haben mich schon einige Punkte gekostet. Für mich ist aber klar, dass ich in jedem Rennen um das beste Ergebnis kämpfe. Das hat in diesen beiden Fällen nicht funktioniert. Die Berührung am Nürburgring mit Gary (Paffett) war Pech, das war kein großer Fehler. Ihr dritter Unfall in diesem Jahr war in Budapest. Hat sich Marco Wittmann bei Ihnen bedankt, dass Sie ihn vor einem großen Einschlag in die Mauer bewahrt haben? Nach dem Rennen hat sich Marco bei mir entschuldigt. Ich bin da unverschuldet in den Zweikampf zwischen ihm und Edo reingeraten. Ihm war schon klar, dass er, wenn ich nicht da gewesen wäre, sehr heftig in die Mauer eingeschlagen wäre. Sie bestreiten Ihre zwölfte DTM-Saison, sind aber erst die vergangenen beiden Jahre konstant an der Spitze. Gibt es dafür einen plausiblen Grund? Das System Audi passt einfach besser für mich. (lacht) Nein, der wahre Grund ist, dass einfach das ganze Paket stimmt: Ich habe ein gutes Auto, einen guten Ingenieur, ein starkes Team. Und ich habe jetzt einfach die nötige Erfahrung. Dies zusammen macht mir meinen Job momentan zu einem richtigen Vergnügen. Sich allein zwei Jahre hintereinander in der DTM zu behaupten, ist eine starke Leistung. Deshalb bin ich momentan einfach happy. In der kommenden Saison wird es ein neues Reglement geben. Was müsste aus Ihrer Sicht geändert werden, damit die DTM noch interessanter und attraktiver würde? Es gibt schon einige Punkte, die anders werden sollten, um die Schau zu verbessern und Überholen möglich zu machen. Ein guter Weg wäre auf alle Fälle, wenn die Autos weniger Abtrieb hätten, weil man dann dichter hintereinander herfahren und besser überholen könnte. Auch haben die Reifen zu viel Grip. Sie sind über die gesamte Dauer zu konstant. Wenn die Reifen irgendwann einmal deutlich an Haftung verlören, könnte eine clevere Strategie das Rennen entscheiden. Gleichzeitig steigt der Einfluss des Fahrers, wenn er mit Köpfchen agiert. Ein dritter Punkt wäre mehr Leistung. In der Formel 1 wird sehr viel über die Feindschaft zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton im Mercedes-Team gesprochen. In der DTM treten Sie immer zusammen mit Ihren sieben Markenkollegen auf. Gibt es Freundschaften unter den Fahrern? Und mit wem sind Sie befreundet? Es ist nicht einfach, einen guten Freund unter den Fahrern zu haben. Als Rennfahrer kämpft man für sich und sein Ergebnis. Wenn man nicht hundertprozentig bei der Sache ist, dann leidet das Ergebnis darunter. Ich bin zwar mit Paul di Resta befreundet, aber an den Rennwochenenden reden wir nicht viel miteinander. Mein Ziel ist es, ihn zu schlagen. Aber zu Hause in Monaco sehen Sie sich schon und reden miteinander? Klar. Genauso ist es mit Augusto Farfus, den ich jeden Tag an der Schule sehe, wenn wir unsere Kinder hinbringen und abholen. Da bin ich freundlich und locker und rede mit ihm. Aber das ist eine ganz andere Situation. Ich glaube auch, dass dies bei Nico und Lewis so ist. Ihr Ziel ist es, Rennen zu gewinnen und nicht einen guten Freund zu haben. Treffen Sie sich mit Paul und Augusto außerhalb der Schule? Etwa zum Radfahren? Oder sind Sie allein unterwegs? Ich fahre viel mit Paul, aber auch mit anderen Rennfahrer: Alexander Wurz, Lucas di Grassi, Jenson Button oder Brendon Hartley. Gemeinsam macht es einfach mehr Spaß. Mit Augusto war ich ein paar Mal joggen. Wie viele Kilometer fahren Sie pro Jahr auf dem Rad? Ich schätze einmal: etwa 6000. Das ist nicht so viel, aber wir haben hier auch sehr viele Berge. Das kostet Zeit und bringt weniger Kilometer. Stimmt, bis nach Monaco reichen Ausläufer der Alpen. Sind Sie ein guter Kletterer? Ich werde jedes Jahr besser. Wir machen jedes Jahr einen Leistungscheck, an diesen Daten kann man seine Fitness gut erkennen. Mein Ehrgeiz treibt mich, dass ich mich jedes Jahr verbessere. Fahren Ihre beiden Söhne schon Kart? Mein ältester Sohn Zachary ist sechs Jahre alt und hat ein Bambino-Kart. Wir besuchen zweimal im Monat mit der ganzen Familie eine kleine Kartbahn außerhalb Monacos, dann fährt er 30 oder 40 Runden. Da genießen wir einfach, dass wir mal aus Monaco rauskommen. Für ihn ist es noch ganz locker, kein Druck. Um bei einem Rennen mitmachen zu dürfen, muss er mindestens acht Jahre alt sein. Wenn Sie zu Hause sind, helfen Sie auch mal im Haushalt? Nein. Wir kochen nicht allzu viel. In Monaco und Umgebung gibt es viele schöne Restaurants. Arno Zensen, Ihr Chef beim Team Rosberg, sagt, dass er in Rente geht, wenn Sie aufhören. Wie lange wollen Sie noch fahren? (lacht) Das ist mal eine Ansage. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich noch zehn Jahre fahre. Das wird nicht klappen. Ich bin jetzt 34 Jahre und habe gesehen, dass Bernd Schneider (fünfmaliger DTM-Champion) 42 Jahre alt war, als er seinen letzten Titel gewonnen hat. Also habe ich noch viel Zeit. Nein, ich könnte mir vorstellen, dass ich bis 40 fahre. Wenn ich Spaß habe, fit und schnell genug bin, dann sind die 40 ein erstrebenswertes Ziel. |Interview: Klaus-Eckhard Jost

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