Neustadt Ein Lehrer, aber ganz unterschiedliche künstlerische Wege – die neueste Schau im Herrenhof

Einer der „Kastenköpfe“ von Mark Blunck vor zweien seiner suggestiven Natur-Kompositionen.
Einer der »Kastenköpfe« von Mark Blunck vor zweien seiner suggestiven Natur-Kompositionen.

Mit dem Herrenhof in Mußbach verbindet Günther Berlejung, als langjähriger Dozent an der Uni Landau eine der prägenden Gestalten der regionalen Kunstszene, schon lange eine intensive Beziehung. Immer wieder haben er selbst oder seine Schüler in der Kunsthalle ausgestellt. So verwundert es nicht, dass der 72-Jährige der Fördergemeinschaft jetzt auch über eine Zeit der Krise hinweghilft.

Die Turbulenzen innerhalb der Fördergemeinschaft Herrenhof 2021 brachten es mit sich, dass insbesondere bei den Planungen für die Kunstausstellungen in diesem Jahr noch vieles in der Schwebe ist. Da kam das Angebot, wieder einmal eine Schau mit interessanten Berlejung-Schülern zu organisieren, gerade recht. „Vier Wege – ein Ursprung“ heißt die und wird nun am Sonntag eröffnet: Der zitierte Ursprung ist dabei niemand anders als Berlejung selbst, für die vier höchst unterschiedlichen künstlerischen Wege stehen Mark Blunck, Anne-Kathrin Krächan, Stephan Müller und Michael Weisbrod, allesamt „Berlejünger“, die bis heute eine besonders enge Beziehung oder gar Freundschaft mit ihrem ehemaligen Lehrer pflegen.

Den dürfte es daher umso mehr verdrießen, dass er nach einem leidigen Unfall am Sonntag nicht selbst zur Vernissage kommen und wie geplant die Laudatio halten kann. Hier springt nun Michael Weisbrod ein, der auch selbst seit 2019 zum „Arbeitskreis Kunst“ des Herrenhofs gehört und hier also gleichsam in einer Doppelfunktion als Künstler und Kurator auftritt. „Über meine eigenen Werke werde ich aber selbstverständlich nicht sprechen“, erklärt er, was eigentlich schade ist, denn in seinen abstrakten Farbfeld-Kompositionen stecken erstaunlicherweise oft ziemlich interessante Geschichten.

Anne-Kathrin Krächan ist das „Küken“ bei dieser Schau

Weisbrod, Blunck und Müller sind alle Jahrgang 1971 – ihre prägendenden Berlejung-Erfahrungen liegen also schon eine Weile zurück. Das „Küken“ bildet daher die erst 29-Jährige Ann-Kathrin Krächan, die ihr Lehramtsstudium in Landau erst vor kurzem abgeschlossen hat. Sie hielt sich 2014/15 zu einem Auslandssemester an der Universität Fuzhou in der Volksrepublik China auf und entdeckte dort die traditionelle asiatische Lackkunst für sich, die ihr Werk seitdem prägt. Sie wisse nicht, ob sie diese Ernsthaftigkeit des Informellen erreicht hätte ohne diesen Aufenthalt in China, wo aufgrund der tief verinnerlichten kalligraphischen Kultur ein einzelner schwarzer Strich so unendlich viel mehr ausdrücken könne, als sich der gemeine Europäer vorstelle, sagt sie.

In ihren konsequent titellosen, informellen Arbeiten wandelt Krächan die chinesische Technik zu etwas ganz Eigenem um: zu an Landschaften erinnernden meditativen Kompositionen von großer Tiefe und materieller Eleganz, die durch das Schleifen der auf Holz aufgebrachten Lackschichten entsteht. Aber auch Materialbilder von großer haptischer Qualität hat die Künstlerin im Portfolio, ebenso wie Rauchbrandkeramiken oder Rundbilder aus lackierter Dachpappe, deren Oberflächenstruktur und Farbigkeit durch den Zufall der Flammen bestimmt wurde.

Zwei Künstler, die Maler und Bildhauer gleichermaßen sind

Krächans Arbeiten nehmen in der Herrenhof-Kunsthalle die Fensterseite ein. Gegenüber, in den Kojen im Mittelbereich, finden sich die figurativen Holzskulpturen und Gemälde von Stephan Müller, die für eine völlig andere Ästhetik stehen. Die bildhauerischen Werke des Rodalbeners sind auf eine geradezu existenzielle Weise expressiv, wofür nicht zuletzt die oft extremen Verdrehungen der Körper stehen. Bei den Mischtechnik-Gemälden geht der Zug sogar noch weiter ins Schemenhaft-Abstrakte. Das Hauptmotiv sind Frauenakte, doch sie lösen sich nicht selten auf in einem Meer der Ungegenständlichkeit.

Mit Stephan Müller verbindet Mark Blunck, dass auch er sowohl als Maler als auch als figurativer Bildhauer tätig ist. Bei den grob gesägten und behauenen Holzskulpturen, die den Eingangsbereich der Kunsthalle bevölkern, fällt es im Einzelfall gar nicht so leicht zu entscheiden, was zu wem gehört. Besonders witzig sind Bluncks „Kastenköpfe“, die für Verkopftheit stehen – und den schweren Weg, den Menschen, die damit geschlagen sind, zu gehen haben. Das malerische Werk des Südwestpfälzer Künstlers bildet da einen bewussten Gegenpol. Es wirkt oberflächlich betrachtet informell, ist aber von Naturstudien inspiriert. Eine von einem Island-Aufenthalt inspirierte Serie spielt mit Moosen und Flechten, Eis und Asche als Motiven. Bei anderen Arbeiten vermeint man Blüten oder ferne Bergzüge zu erkennen.

Für eine völlig andere künstlerische Schule steht der Essinger Michael Weisbrod. Seine Farbfeldkompositionen auf zumeist weißem Grund erinnern an konkret-konstruktivistische Vorbilder der klassischen Moderne, unterscheiden sich von deren kühlem, technoiden Goût aber darin, dass in ihnen sehr persönliche Geschichten verpackt sind: der Tod der kleinen Tochter in „Ray of Light“ zum Beispiel oder das Gefühl der Beengung durch die Konventionen des Alltags in „Einsortiert“. Weisbrod arbeitet dabei mit einem ganz individuellen Zeichensystem, bei dem etwa die häufig wiederkehrenden Häkchen für Synapsen, also Reizübertragung, stehen. „Es geht darum, Gefühle mit Farben und Formen auszudrücken“, beschreibt der Künstler das Prinzip.

Gekommen, um zu bleiben

Alle vier Ausstellenden verbindet neben der Nähe zu Berlejung, dass sie tatsächlich auch selbst inzwischen als Unterrichtende in Sachen Kunst tätig sind – wie es die Ausbildung am Kunst-Institut der Uni Landau ja auch vorrangig anstrebt. Krächan und Müller arbeiten als Kunstlehrer in Frankenthal beziehungsweise Landstuhl, Blunck und Weisbrod als Dozenten an Fachoberschulen für Gestaltung in Pirmasens und Bad Bergzabern. Dass alle bis auf Müller aus anderen Teilen der Republik stammen, ganz bewusst zum Studium nach Landau kamen und letztlich in der Pfalz blieben, spricht für die besondere Strahlkraft der Hochschule wie der Region.

Die Ausstellung

Die Ausstellung „Vier Wege – ein Ursprung“ wird am Sonntag, 6. Februar, um 11.15 Uhr in der Kunsthalle des Kulturzentrums Herrenhof in Neustadt-Mußbach eröffnet. Statt Günther Berlejung, der nach einem schweren Sturz erst wieder auf die Beine kommen muss, führt Michael Weisbrod in die Schau ein. Für Musik sorgt das Violin-Duo Nathalie Delorme und Zoe Bachmann. Es gilt die 2G-Regel. Die Vernissage wird aber auch live im Internet übertragen unter www.kunst060222.herrenhof-mussbach.de. Im Anschluss ist die Schau bis 27. Februar freitags 17-20 Uhr, samstags 14-18 Uhr und sonntags 11-18 Uhr zu sehen. Auch hier gilt 2G.

Anne-Kathrin Krächan arbeitet bevorzugt mit chinesischem Lack auf Holz, so wie bei diesem titellosen Großformat.
Anne-Kathrin Krächan arbeitet bevorzugt mit chinesischem Lack auf Holz, so wie bei diesem titellosen Großformat.
Stephan Müllers Ahorn-Skulptur „Ambivalenz“ vor einem seiner Frauenakte.
Stephan Müllers Ahorn-Skulptur »Ambivalenz« vor einem seiner Frauenakte.
Michael Weisbrod konstruktivistisches Gemälde „Einsortiert“ thematisiert die Einengungen durch die Konventionen des Alltags.
Michael Weisbrod konstruktivistisches Gemälde »Einsortiert« thematisiert die Einengungen durch die Konventionen des Alltags.
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