Neustadt Ein Opern-Diamant voller funkelnder Facetten

Von wegen konzertant: Ein paar Theater-Andeutungen wie etwa die Masken des Chores gab es – aber das Publikum vermisste ohnehin n
Von wegen konzertant: Ein paar Theater-Andeutungen wie etwa die Masken des Chores gab es – aber das Publikum vermisste ohnehin nichts.

«Neustadt-Hambach.» Es war bereits die dritte konzertante Barockopern-Produktion, die Fritz Burkhardt mit seinen Ensembles am Samstag in der Hambacher Pauluskirche vorlegte: Henry Purcells „Dido and Aeneas“. Und man wird die brillante, hochprofessionelle Aufführung des kompakten, nur gut einstündigen Bühnenwerks lange in der Erinnerung behalten.

Oper konzertant? Wo bleibt da der Bühnenzauber, die Magie der optischen Illusion? Die passende Antwort darauf gab das Publikum in der gut besetzten Pauluskirche selbst, das, nachdem der letzte Akkord still verebbt war und der Chor der Liebesgötter die tote Dido musikalisch in Rosen gebettet hatte, in minutenlangem Schweigen verharrte. Gebannt, tief berührt, lange unfähig zu applaudieren, was es hernach dann umso stürmischer nachholte. Was Wunder – mit seinen Ensembles, dem rund 30 Stimmen starken „Neustadter Figuralchor“ und dem instrumentalen „Ensemble 1800“ – diesmal in Kammerbesetzung mit den fabelhaften Barockspezialisten Andrea Wiedner und Konstanze Winkelmann (Violinen), Anne Erdmann-Schiegnitz (Viola), Rebeca Ferri (Cello), Matthias Scholz (Violone), Johannes Vogt (Laute) und Henrike Seitz (Cembalo) – verfügt Fritz Burkhardt über zwei Klangkörper, die jenseits ihrer verlässlich trittfesten Stimm- und Spieltechnik über ein profundes stilistisches Vokabular verfügen und einfach wunderbar zupackend, souverän und facettenreich agieren. Das war ein „erzählendes Musizieren“, ein Fabulieren, das selbst die auf historischen Nachbauten spielenden Musici jederzeit zu hochdramatischen rhetorischen Illustratoren machte, die – auch ohne Worte – Landschaften, Empfindungen, Seelenzustände eindrücklich zu bebildern vermochten. Den Chor-Part wiederum, den Purcell als echten Handlungsträger ungewöhnlich üppig, figurenreich und tempogeladen an den dramaturgisch hitzigsten Stellen platziert, bewältigte der „Figuralchor“ auf eine geradezu routinierte Weise, dabei hellwach und stimmlich souverän auch in aberwitzig figuralen Sequenzen. Auch die Chor-Solisten Eva und Regina Weinkötz (Hexen), Jürgen Sauerhöfer (Matrose) sowie Esther Labusch, Nanette Seibt und Stefanie Grünebaum behaupteten sich selbstbewusst. Und Bühnenzauber – den gab es zuhauf. Geschuldet war dies einem Inszenierungskonzept, der zum einen das Publikum dezidiert in Kenntnis setzte und mittels Wandprojektion die Übersetzung des im altenglischen Original deklamierten Librettos lieferte, während der im instrumentalen Prolog verankerten Erzähler Norbert Dreyer den historisch-mythologischen Kontext um den auf seiner Flucht aus dem zerstörten Troja an die nordafrikanische Küste gelangten Königssohn Aeneas und seine Aufnahme bei Dido, der schönen Königin von Karthago, aufschlüsselte. Zum anderen implementierte es optische Anreize und Spannungsmomente mittels geschmackvoll und unaufgeregt platzierter szenischer Bewegung, etwa, indem die Choristen in gemischter Aufstellung musizierten und bei den Auf- und Abgängen behutsam tänzerisch, als Furien oder Matrosen etwa, Bewegungselemente einbauten, das Höllentreiben mit Metallgewitter und kleinen Accessoires wie schwarzen Augenmasken bebildert wurde, oder das Bühnenrund mal in rotes (Höhle), grünes (Jagdgesellschaft) oder blaues Licht getaucht war (Beleuchtung: Nicole Burkhardt). Auch die Solisten als zentrale Handlungsträger waren gezielt in Bewegungsabläufe eingebunden. Womit man beim nächsten Glanzpunkt des an funkelnden Facetten reichen Operndiamanten angelangt wäre, den Vokalsolisten. Die wunderbare Sopranistin Elena Harsányi in der Rolle der Dido-Freundin Belinda – dem Neustadter Publikum bekannt durch die „Rennquintett-Tournee 2016 –, Magdalena Harer, ebenfalls Sopran, als Dido, Bariton Tobias Berndt als Aeneas und Mathias Mann als Zauberer und Geist prunkten allesamt mit edel geführten, schönen Stimmen, stilsicher und unangestrengt in der barocken Figural-Architektonik unterwegs. Mathias Mann, als Zauberer mit düster auftrumpfendem Bariton, beherrschte auch das Counter-Register für Mercurius prächtig. Didos Sterbearie schließlich, das ungemein „mild blutende“ – so charakterisierte es ein Purcell-Zeitgenosse – „When I am laid in earth“, traf in Harers anrührend verhaltener, gleichwohl elektrisierender Interpretation mitten ins Herz. Das Schlusswort gehörte dann dem „Figuralchor“, den „Liebesgöttern“, die noch einmal berückende musikalische Rosen streuten und sich, im abgedunkelten Chorraum Kerzen in den Händen haltend, mit einem starken Bild verabschiedeten.

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