Neustadt Endlich mal wieder ausgepackt

Internationales Kunsterlebnis: zwei Skulpturenmodelle des Engländers Alex Wood vor der Installation „Mare“ des Italieners Corrad
Internationales Kunsterlebnis: zwei Skulpturenmodelle des Engländers Alex Wood vor der Installation »Mare« des Italieners Corrado Bonomi und einem großen Rundbild der Irin Amanda Rice.

«Neustadt». Normalerweise ruhen sie im Depot oder hängen oder stehen im besseren Fall in irgendwelchen Amtsstuben – doch jetzt sind zumindest einige der Werke, die bei den Neustadter Künstlersymposien 2008, 2011 und 2014 entstanden und im Besitz der Stadt verblieben, für drei Wochen ins Rampenlicht zurückgekehrt. In einer auf gut Neudeutsch Best-of-Ausstellung betitelten Schau finden sie sich vereint mit vielen der noch ganz frischen Arbeiten des vierten Symposiums, das am Sonntag fulminant zu Ende ging.

Natürlich. Schon allein aus praktischen Gründen haben die Arbeiten des jüngsten Künstlertreffens in der Schau den Löwenanteil. Schließlich waren sie schon am Platz! Und einige Werke, die am Sonntag bei der Abschlusspräsentation des 2017er-Jahrgangs einen Käufer gefunden haben, können sich so noch ein bisschen länger im Licht der Öffentlichkeit sonnen. Aber mal ehrlich, wäre es nicht schade, wenn man etwa die akribisch geplanten Fotoinszenierungen von Thomas Brenner nicht noch einmal genauer unter die Lupe nehmen könnte? Unglaublich viel Arbeit steckt in den fünf verblüffenden Fotografien, die sich alle mit Neustadts Geschichte und Gegenwart befassen und von denen vier jetzt ganz allein in einem der beiden Seitenkabinette hängen – die fünfte, leider gerade die, die sich mit Neustadts NS-Vergangenheit befasst, fehlt nur deshalb, weil sie am Sonntag leicht beschädigt wurde. 500 Weinflaschen und drei grazile Weinhoheiten hat Brenner allein für das erste Foto – „Weinköniginnen“ – kunstvoll auf der Terrasse der Villa Böhm arrangiert. Und als dann die eigentlichen Aufnahmen anstanden, regnete es in Strömen. Insgesamt beeindruckt bei der Schau die große Spannbreite der Techniken, der Stile, des Zugangs zur Welt. Humor und Ernst, Opulenz und Kargheit, Erzählfreude und die reine Lust an Form und/oder Farben halten sich gut die Balance. So begegnet man vom aktuellen Jahrgang den großformatigen, gestischen Tusche-Portraits von Georg Meyer-Wiel, der drei äußerst athletische Neustadter verewigt hat, ebenso wie zwei skurrilen Blech- und Gips-Modellen von Alex Wood, bei denen schon die Titel – „Elwetritschemondfahrt“ und „Lift Off! The Rocket“ – eine gute Vorstellung vermitteln, worum es geht. Ransome Stanley ist mit fünf seiner Portraits dabei, die alle die Beziehungen zwischen Afrika und Europa thematisieren und auch deren kulturellen Wandel, etwa im wachsenden Einfluss Chinas. Die Augsburgerin Andrea Rozorea zeigt eine luftige, gestische Komposition in Hellblau, Weiß und Grau, die Irin Breda Burns drei Arbeiten auf Papier, die man als Landschaften interpretieren kann, obwohl sie Eindeutigkeit weitgehend vermeiden. Ihre Landsfrau Caroline Masterson geht mit ihren unglaublich fein gemalten Miniaturportraits von Vertretern der sieben Erdteile, die einen stilisierten DNA-Code umkreisen, fast ein wenig unter, so klein sind sie. Dass sie auf Hartfaserplatten gemalt sind, die aber durch Schleifung und Ätzung wie Porzellan wirken, verstärkt noch den artifiziellen Reiz. Und auch Symposionsleiter Ralph Gelbert ist jetzt mit einem seiner großen informellen Bilder in der städtischen Sammlung mit von der Partie: „Wetterleuchten“ lautet der Titel der von Blautönen dominierten Komposition. Vom ersten Symposium 2008 ist ein Riesenformat des Iren Maurice Quillian in der Schau vertreten, das von einem Ausflug an den Altrhein inspiriert wurde. Das Bild teilt sich in zwei fast gleich große, monochrome Flächen in Blau und Weiß, auf denen sich Vögel, Schilf und ein Ruderer als rote Binnenelemente arrangieren. Weitaus weniger sinnlich kommt da ein an einen elektrischen Schaltkreis erinnerndes Drahtgeflecht des Serben Dalibor Popovic daher. Diese Wandinstallation zeigt ebenso wie ein kubistisch anmutendes Gemälde von Friedemann Grieshaber – auch er ein Teilnehmer von 2008 –, dass Künstler das Symposium oft für Experimente nutzen, die sie später nicht mehr weiterverfolgen: Popovic ist heute fast ausschließlich als Maler tätig, Grieshaber von Haus aus Bildhauer. Malerei und noch dazu in Farbe stelle eine absolute Rarität in seinem Œuvre dar, so Ralph Gelbert. Patrick Bidaux aus Mâcon zählt zu den Künstlern, die gleich an zwei Symposien teilnahmen: Er war 2008 und 2011 dabei und hat in einem Interieurbild die Arbeitssituation in der Villa Böhm festgehalten, die bei ihm allerdings ein bisschen mehr Lebensspuren aufweist als in der Realität. Er wird übrigens im September erneut nach Neustadt kommen und dann mit einer Einzelausstellung genau in den Räumen vorgestellt, die er auf seinem Bild 2008 festgehalten hat. Vom Jahrgang 2011 haben es Berika Ipekbayrak aus Mersin mit ihrer surrealen Keramik-Plastik „Traum der Katze“ – eine schlafende Mieze auf einem Berg von Fischen – und der Italiener Corrado Bonomi mit seiner skurrilen Wand-Installation aus Fischkonservendosen in die Schau geschafft. Von dem Armenier Mikayel Ohanjanyan, der in diesem Jahr zum zweiten Mal dabei war, ist eine 2011 entstandene Installation zu sehen, bei der zwei Gipswürfel an Fäden in einen quadratischen Metallrahmen eingespannt sind. Der Spanier Diego Vallejo Pierna hat Gelberts Königsbacher Atelierhaus in einem Nachtbild eingefangen, gesehen aus einem vorbeifahrenden Zug. Und Silvia Camporesi aus Italien, heute eine international gefragte Fotokünstlerin, hat per Photoshop ein buntes Karussell mitten in den Pfälzerwald gestellt, Auch das Symposion 2014 ist mir vier Beispielen präsent: der Ire Richard Hearns mit einem klassischen Stillleben mit Malutensilien aus Gelberts Atelier, seine Landsfrau Amanda Rice mit einem abstrakten Rundbild von über einem Meter Durchmesser, der Bildhauer Jan Thomas mit einer witzigen Holzskulptur mit dem Titel „Mann im Wolfspelz“ und der Südafrikaner Peter Eastman mit zwei abstrakten Ölbildern auf Aluminium. Bleibt nur noch die Frage, was mit all den Kunstwerken passiert, wenn die Schau zu Ende ist? Kulturamtsleiter Wolfgang Dinges hat sich fest vorgenommen, in den anderen Abteilungen der Stadtverwaltung noch mehr Werbung zu machen, um weitere Präsentationsmöglichkeiten für den städtischen Kunstbesitz aufzutun. Damit es nicht so geht wie bei der Dosen-Installation von Corrado Bonomi. Deren Einzelteile waren nämlich, wie Ralph Gelbert bei der Vorbereitung der Ausstellung festgestellt hat, noch genauso eingewickelt, wie er sie 2011 selbst verpackt hatte. Die Ausstellung Die Best-of-Ausstellung der vier Neustadter Künstlersymposien läuft bis 10. September im Obergeschoss der Villa Böhm. Öffnungszeiten: mittwochs und freitags 16–18 Uhr, samstags und sonntags 11–13 Uhr und 15–18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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