Neustadt Es darf auch mal gelacht werden

«Neustadt-Hambach.» Sie gilt als Königsdisziplin des Komponierens und zählt zu den wichtigsten Gattungen der Musikgeschichte: Wie ein roter Faden zog sich das Thema Fuge am Freitag beim „Hambacher Musikfest“ durch das Programm des Jakobuskirchenkonzerts.

Fast ein wenig reißerisch, in jedem Fall aber äußerst effektvoll, der Auftakt mit dem „Rennquintett“ und Bezirkskantor Simon Reichert an der Orgel, der Königin der Instrumente: Wer kennt sie nicht, die berühmte Toccata und Fuge von Johann Sebastian Bach, jenem hundertfach zitierten, ewig jungen Superhit des 18. Jahrhunderts. Wie fünf Blechbläser eine Orgel ersetzen können, beweisen die fünf Herren vom „Rennquintett“ zunächst vom Altarraum aus. Den Weg von dort auf die Orgelempore überbrückt Reichert, bevor beide Klangkörper in wundersamer Weise zu einem einzigen verschmelzen. Mit Simon Reichert hat das „Mandelring Quartett“ erstmals einen Organisten für das Festival verpflichtet und damit einen neuen Akzent in Sachen Programmvielfalt gesetzt. In der Alten Musikszene gilt der Preisträger des „Grand Prix d’Echo“ (Freiberg 2014) als Experte für das Spiel an historischen Orgeln. Nach dem heroischen Auftakt mit Bach serviert er mit dem Orgelkonzert g-Moll op. 7/5 eine weitere Virtuosennummer. Begleitet wird er diesmal nicht vom schweren Blech, sondern vom „Mandelring Quartett“ und dem Kontrabassisten Christoph Schmidt. Das sorgt für klangliche Abwechslung und wieder profitiert das Publikum von der faszinierenden Akustik der Jakobuskirche. Jeder einzelne Ton von der Empore kommt kristallklar im Schiff an, kein Nachhall trübt das Hörererlebnis, und es ist, als hielten die Interpreten dem Publikum die Partitur mit all ihren Feinheiten direkt unter die Nase. Gleiches gilt für die von Mozart für Streichquartett bearbeiteten drei Fugen aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“. Und auch wenn das „Mandelring Quartett“ erwartungsgemäß nicht in puritanischer Weise die strengen Gebote der historischen Aufführungspraxis umsetzt, hält sich das Spitzenquartett klanglich bemerkenswert zurück, zelebriert einen ungemein durchsichtigen Sound. Die Begeisterung für kontrapunktische Studien ist eine wichtige Gemeinsamkeit aller großer Komponisten, und es ist erstaunlich zu beobachten, wie man bereits im 18. Jahrhundert diesbezüglich voneinander profitierte. So outete sich zum Beispiel Altmeister Bach mit seinen Transkriptionen als großer Vivaldi-Fan. Zu den berühmtesten Bearbeitungen zählt jene des d-Moll-Konzerts für zwei Violinen, Cello, Streicher und Basso Continuo aus Vivaldis Sammlung „L’estro armonico“, dessen Kopfsatz eine Fuge enthält. Keinesfalls aus den Fugen gerät die Interpretation durch Simon Reichert, der mittels differenzierter Registerwahl nicht nur die Klangfarben der Originalfassung in Erinnerung ruft, sondern darüber hinaus eindrucksvoll Bachs Bedeutung als einer der renommiertesten Orgelvirtuosen seiner Zeit demonstriert. Festlicher Trompetenglanz dann in Vivaldis Konzert C-Dur für zwei Trompeten, Streicher und Cembalo, wenn sich Peter Leiner und Uwe Zaiser an den Piccolo-Flöten spannenden Duelle liefern und Reichert diesmal seine Kompetenzen als Experte für historische Tasteninstrumente am jüngst angeschafften Neustadter Cembalo unter Beweis stellt. Es gibt keinen Komponisten in der Musikgeschichte, der so oft bearbeitet wird, wie Johann Sebastian Bach. Im Repertoire des „Rennquintetts“ spielt er eine besondere Rolle, und diesmal ist es der musikalische Grenzgänger Friedrich Gulda, den die Zuhörer in einer Bearbeitung eines Präludiums mit anschließender Bebop-Fuge erleben – es ist, als prallten da zwei Galaxien aufeinander. Apropos „Musikalische Grenzgänger“: Auch der Schweizer Daniel Schnyder verlässt bei seiner Suche nach neuen aufregenden Klangkombinationen immer wieder die „klassischen Pfade“. Dieser Mann kennt wirklich keine musikalischen Tabus. In seinem Werk „Euphonia“ für Saxophon und Bläserquintett illustriert er die Geschichte von Sarah und Abraham, deren Haussegen schief hängt, weil der Nachwuchs ausbleibt. „Die Geschichte, wie Abraham aus der Not heraus eine andere Frau beglückt, sparen wir aus, das können Sie in der Bibel auf Seite 14 nachlesen“, erläutert der Star des Festivals schmunzelnd. Und wieder ist es seine explosive Energie und Spielfreude, mit die der musikalische Tausendsassa sein Publikum begeistert. „Bei uns gibt’s eine klassische und eine weniger seriöse Fraktion“, erklärt Peter Leiner vom „Rennquintett“ und wirft seinem „Widersacher“ Uwe Zaiser vielsagende Blicke zu. Schließlich einigen sich die beiden Trompeter und präsentieren frei nach Händel mit dem Stück „The Saints’ Hallelujah“ eine nicht ganz ernst gemeinte Mischung aus dem berühmten Messias-Chor und dem Spiritual „When the saints go marching in“. Wie schön zu erleben, dass auch in der Kirche mal herzhaft gelacht werden darf!

x