Neustadt „Heute sacht mer Deko“

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Neustadt. Er hat’s gern roh. Deshalb wohl nennt Christian Habekost das Programm, mit dem der gebürtige Kurpfälzer am „vierten Weihnachtsfeiertag“, also am Montagabend, im Neustadter Saalbau gastierte, auch „(F)Rohe Weihnacht“. Das Publikum war begeistert von Chakos Geschichten rund um die schönste Zeit im Jahr.

Dunkle Bühne, grell-weiß leuchtender Riesen-Plastikschneemann. Ein spartanischer Tisch und Stuhl. Habekost hat keine aufwendige Kulisse nötig. Seine bildhafte Sprache, seine Grimassen und Gesten genügen, um vor dem geistigen Auge des Zuhörers das weihnachtliche Wohnzimmer der Habekosts aufscheinen zu lassen. Und alle, die grob im ähnlichen Alter sind wie der Held, erinnern sich sofort an Szenen, die genau so oder fast so abliefen. Das ist nämlich die Kunst des perfekt in Mundart schwadronierenden Comedians. Er erzählt Banales, wie es jeder kennt, mal hier und da ausgeschmückt und überspitzt, und das Publikum tobt. Klar, es erkennt sich selbst, Angehörige, Nachbarn oder Kollegen wieder. Habekost selbst präsentiert sich als „Weihnachtsjunkie“. Und deshalb habe er schon in der Schule, nach seinem Berufswunsch gefragt, Weihnachtsmann oder Kaspar, Melchior und Balthasar gesagt. Der Anpfiff des Lehrers war ihm sicher. „Heute“, meint der Comedian hämisch grinsend, „bin ich Kasper und verdiene wesentlich mehr Geld, als mein damaliger Lehrer Rente hat“. Dann taucht er ein in die Weihnachtswelt seiner Kindheit und Jugend, berichtet wie die Mutter den immer weitervererbten Weihnachtsschmuck, „heute sacht mer Deko“, aus dem Keller holte, wie die Englein aus Goldpapier, die Räuchermännle und Dekoschalen mit hölzernem Obst ihren angestammten Platz einnahmen, wie die Kerzenpyramide der Ostverwandten aus dem „Schmerzgebirge“ aufgestellt wurde. Und erst der Heiligabend: Vater und Mutter verschwinden hinter der verschlossenen Wohnzimmertür und zieren „harmonisch und liebevoll“ den Tannenbaum. Schon sieht der Zuhörer regelrecht den kleinen Christian, wie er in das dunkle Zimmer tritt, die mit einem Tuch verdeckten Geschenke „abscannt“, ob ja auch die Wunschliste abgearbeitet wurde. Doch bis sich die Spannung endlich auflösen, bis er die Geschenkpapiere zerfetzen und seiner Spiellust frönen darf, gilt es unzählige Strophen von Weihnachtsliedern über sich ergehen zu lassen, die die kleine Schwester falsch, aber unermüdlich auf dem Klavier spielt. Als wahrlich „bahnbrechende Geschenke“ bezeichnet Habekost das „Cowboy- und Indianer-Fort“, die Ritterburg und die Carrera-Bahn. Und natürlich dürfen die Krippenfiguren bei seinen frühmorgendlichen Spielen im Weihnachtszimmer mitmachen: Maria als Wirtin im Saloon und Josef als Kreuzritter; die heiligen drei Könige liefern sich mit dem ewig lächelnden Jesuskind ein Autorennen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Habekost schwenkt in die Gegenwart: „Woihnachte fangt immer frieher an.“ Im heißen September, als er in den Supermarkt gegangen sei, um Sonnenmilch zu kaufen, „standen dort schon die Schoko-Nikoläuse“. Da habe er drauflosgeschlagen, die Schokomänner in ihrer freundlichen Hülle zerdeppert. Nicht so tragisch, Nikoläuse seien ja Hindus, „in e paar Woche kummen die als Oschderhase widder“. Habekost selbst räumt ein, dass manche Entwicklungen nur noch mit Kalauern zu kommentieren seien. Und von denen hat er einige auf Lager, garniert mit ihnen seine wirklich unnachahmlichen Situationsbeschreibungen. Zur Hochform läuft der Comedian auf, wenn er in andere Figuren schlüpft. Da ist Karlheinz, dessen Frau ihn – „als guder Vorsatz“ – zum Abnehmen verdonnert. „Jetzt werd japanisches Zeug gesse.“ Da komme Wasabi auf den Tisch – „ich hab erschd gedenkt, des wär lesbisches Knäckebrot“. Und viel trinken müsse er, zwei Liter Wasser am Tag. „Do brauch ich awwer e paar Schorle...“ Helga Dussmann zeigt, wie Abnehmen mit einem Nutella-Glas auf dem Schoß eigentlich nicht geht, während Albrecht von Ludwigshafen-Pfingstweide mit dem Rauchen aufhören will und unter „cold turkey“ leidet. Überhaupt Silvester: natürlich haben die grün angehauchten Eltern Klein-Christian das Böllern verboten. „Brot statt Böller“ habe es geheißen. „Jetzt zind du mol e Brot a, des schdinkt jo bestialisch.“ Und während er schließlich ein paar Knallerbsen auf die Straße werfen durfte, hat „de Peter Schmidt vun newedra“ ein wahres Inferno mit dem Böllerbestand von Aldi veranstaltet. Doch, die Situationskomik ist noch steigerungsfähig: Der Besuch in einem Edelrestaurant in Deidesheim gerät zu einem Feuerwerk der verbalen Slapstick-Komik. Nein, nach diesem Knaller darf Christian Habekost nicht die Bühne verlassen. Mit einem Zugabezuckerl und dem in sich zusammenfallenden Schneemann entlässt er die Zuschauer in ihre Silvestervorfreude.

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