Neustadt „Ich bin so frei“

Bücher statt Akten: Theresia Riedmaier hat nun endlich Zeit, zu lesen. Und sie hat sich einiges vorgenommen, wie man sieht.
Bücher statt Akten: Theresia Riedmaier hat nun endlich Zeit, zu lesen. Und sie hat sich einiges vorgenommen, wie man sieht.

Theresia Riedmaier, 65, Rollkragenpulli, sitzt an diesem Nachmittag in einem Café in der Landauer Innenstadt. Das klingt nicht gerade spektakulär. Doch für eine Frau, die 20 Jahre Landrätin an der Südlichen Weinstraße war, sind solche Nachmittage in einem Café eine Seltenheit gewesen. „Es ist einfach schön, nicht mehr von morgens bis abends durchgetaktet zu sein“, sagt die Sozialdemokratin, die am 30. September ihren letzten Arbeitstag im Kreishaus hatte. Nun genießt sie ihre neue Freiheit. Sie macht mehr Sport, besucht kulturelle Veranstaltungen, wälzt Bücher. „Und natürlich lese ich jeden Morgen die RHEINPFALZ, von vorne bis hinten.“ Man merkt Riedmaier an, dass viel Druck von ihr abgefallen ist, ihr Lächeln wirkt wesentlich befreiter als früher. „Ich bin ruhiger geworden“, sagt sie. Ihr Körper hatte ihr in der vergangenen Weihnachtszeit deutlich signalisiert, dass sie ihn nicht mehr auspressen kann wie eine Zitrone. Riedmaier akzeptierte die Warnzeichen für einen Schlaganfall und kündigte schließlich im Januar ihren Rücktritt an. Der Schritt ist ihr nicht leicht gefallen. Nach dem Abschied ging es mit ihrem Lebensgefährten Volker Krebs für eine Woche nach Fuerteventura zum Wandern, im November war Riedmaier mit Freundinnen in Tunesien. „ Ich habe jetzt auch die Möglichkeit, mehr Zeit mit den Leuten zu verbringen, die mir wichtig sind“, sagt Riedmaier. Wichtig war ihr auch der Besuch am Krankenbett des kürzlich verstorbenen Edenkobener Stadtbürgermeisters Werner Kastner. Sie hatte eigentlich nur mit einem kurzen Gespräch gerechnet, es wurde ein mehrstündiges Treffen. „Das hat mich sehr bewegt“, erzählt sie. Trotz ihrer neuen Freiheit geht es ohne Terminkalender dann doch nicht. Dabei hatte Riedmaier sich vorgenommen, in den ersten Monaten ihres Ruhestands auf einen Zeitplaner zu verzichten. Sie bekommt noch immer viele Einladungen zu Veranstaltungen im Landkreis, engagiert sich in Institutionen wie dem Freundeskreis des Künstlerhauses Edenkoben. Schon einige Male sei sie gefragt worden, ob sie sich in weiteren Organisationen ehrenamtlich einbringen möchte, aber sie habe abgelehnt. „Ich helfe gerne da, wo ich kann, aber nicht in der ersten Reihe. Für die Zukunft möchte ich das aber nicht ganz ausschließen“, sagt Riedmaier. Klar ist aber für die Frau mit den rötlichen Haaren und dem roten Herzen, dass sie sich weiterhin für ihre Partei, die SPD, engagieren möchte. Zuletzt war sie als Gast auf dem Bundesparteitag in Berlin. Sie sei von der intensiven Debatte um die Groko-Sondierungen begeistert gewesen. Sie selbst spricht sich übrigens für Verhandlungen mit der Union aus: „Wir können uns nicht einfach entziehen.“ Riedmaier betont aber, dass die Sondierungen scheitern könnten. Wenn das der Fall sein sollte, sei es wichtig für ihre Partei, das anhand von Inhalten erklären zu können. Manchen Politikern fällt der Abschied von der Macht schwer. Wer jeden Tag in der Verwaltung den Ton angibt, Pressekonferenzen abhält oder Ehrenamtler auszeichnet, tut sich möglicherweise schwer damit, nicht mehr gefragt zu werden, wie der Kreishaushalt im nächsten Jahr aussieht, sondern nun vor der Frage zu stehen, was auf den Einkaufszettel soll. Riedmaier sagt, sie vermisse nichts, aber vielleicht könne das auch noch kommen. „Ich bin einmal angesprochen worden, ob ich meinen Dienstwagen vermisse. Aber das ist nicht so. Es gibt nur zwei Unterschiede: Ich muss jetzt selbst fahren und nach Parkplätzen suchen“, sagt sie und muss lachen. Nach ihrem Abschied gingen rund 200 Briefe bei ihr ein, fast alle handgeschrieben. Sie nahm sich vor, alle zu beantworten, natürlich handschriftlich. Ihren Perfektionismus hat Riedmaier nicht bei ihrem Auszug aus der Kreisverwaltung abgelegt wie eine Handtasche. Viele der Schreiben haben sie sehr berührt und ihr auch etwas deutlich gemacht: „Ich habe jeden Tag im Oktober zehn bis 15 Briefe geschrieben und bin dann zur Post in meinem Wohnviertel in Landau gegangen. Ich habe immer gedacht, ich führe ein normales Leben. Aber ich war vorher ewig nicht mehr bei der Post, weil ich meine Sachen früher immer auf der Poststelle der Kreisverwaltung abgegeben habe.“ Über ihre Abschiedsfeier an ihrem letzten Arbeitstag hat sich Riedmaier sehr gefreut. Viele Leute seien da gewesen, die sie schon lange nicht mehr gesehen habe. Viele hätten nette Grüße in einem Gästebuch hinterlassen. „Zu meinem Abschied als Landrätin hatte ich auch den Wunsch geäußert, anstatt persönlicher Geschenke eine Spende für unsere Kreismusikschule zu stiften.“ Von dem Ergebnis ist sie begeistert: 10.600 Euro. Dafür wolle sie sich noch mal bedanken. Offiziell ist Theresia Riedmaier außer Dienst. Wer sie kennt, weiß jedoch, dass diese Frau ihre Zeit nicht nur auf der Couch verbringen wird – sondern ganz oft an der Südlichen Weinstraße, ihrer Südlichen Weinstraße.

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