Neustadt Kuck` mal, wer da spricht

So sieht er aus: Andreas Müller, der Mann hinter den SWR3-Radio-Gags.
So sieht er aus: Andreas Müller, der Mann hinter den SWR3-Radio-Gags.

«Neustadt». Er schlüpft lieber in den Gehörgang statt in viele Kostüme. Schon mit der Begrüßung „Danke, dass ich so zahlreich bei euch erscheinen darf!“, macht Andreas Müller klar, dass er, jedem optischen Gesetz zum Trotz, nicht allein auf der Bühne steht. Wie könnte er wohl auch: Ob „Angie“ Merkel, „Jogi“ Löw oder Reiner „Calli“ Calmund – sie alle landen wieder ungefiltert im Mixer des SWR3-Comedymanns, der durch ihre Stimmen in knapp zweieinhalb Stunden die strahlende Welt der Prominenten, aber auch die große Politik erklärt.

Kaum auf der Saalbau-Bühne wacker „aufgetrumpt“, zögert der SWR3-Comedian und Schnellsprecher nicht lange mit seiner Bewertung der aktuellen Lage. „Ist euch eigentlich aufgefallen, dass alle wichtigen Leute in diesem Land aufhören wollen?“, fragt er in die Runde. Und noch bevor die Zuschauer ihren ersten Überlegungen nachhängen können, feuert der Comedian sozusagen eine Aufhör-Trend-Bildershow samt Vertonung ab, die schon ihresgleichen sucht. Er hechelt den Seehofer, leidet mit Theresa May im eiskalten Brexit-Regen und betrauert mit tränenumwobener Stimme die Trennung der beiden Schlagersterne Helene Fischer und Florian Silbereisen: „Sie soll schon wieder einen Neuen haben. Aber ich denke, er hat einen!“ Bis die Witze sich beim Publikum ins Humorareal gebohrt haben und einen spontanen Lachreflex auslösen, was wie üblich keine lange Reaktionszeit erfordert, ist Müller trotzdem schon wieder ohne Tempolimit fünf Kilometer weitergezogen. In seiner Auflistung von Despoten „trumpelt“ er über Erdogan und Putin hinweg bis zu Uli Hoeneß, der die Aktienkurse spannender findet als seriöse Nachrichten. „Der Uli, er guckt also wieder Börse!“, schlussfolgert Müller prompt und prophezeit weise: „Er zockt wieder, und irgendwann hockt er dann wieder.“ Bei so vielen Verschwörungstheorien darf, als eine der wenigen Kostümierungen, wenigstens der Aluhut nicht fehlen. Den setzt Müller sich zur Titelmelodie der Mysteryserie „Akte X“ auf und versucht zu belegen, dass eine Jamaika-Koalition in Berlin sowieso nie den Hauch einer Chance gehabt hätte, weil schon ein übergroßes, liberalgelbes „X“ die ansonsten schwarz-grüne jamaikanische Flagge durchkreuzt. Nach so viel Politikbarometer und einer vernichtenden Bewertung von „Opa Gaulands“ miesen Modetrends bringt der 52-jährige Baden-Badener im zweiten Teil vor allem die Musik ins Spiel, die sich durch einen Gitarren- und Keyboardfuhrpark auf der Bühne längst subtil angedeutet hat. Doch zuerst taucht er nach der Pause mit glänzend schwarzer Haartolle als Jogi Löw wieder auf, der auf einer ausufernden Pressekonferenz mit seinem Kader endlich auspackt, warum es in Russland im vergangenen Sommer keine Sternstunde des deutschen Fußballs gegeben hat. „All you need is Löw“, lautet das von den „Beatles“ frei adaptierte Motto. Dem Fernsehformat „Sing meinen Song“ folgend, verpartnert der SWR3-Comedychef mehrere Größen der Showszene miteinander, die im wahren Leben teils aus gutem Grund niemals wirklich gemeinsam auftreten werden. Klar, dass nach seiner überraschenden Versöhnung mit Ostfriesenjung` Otto auch Schlagersänger Heino sein Fett abbekommt, denn er darf – Müllers Hochleistungs-Stimmbändern zum Dank – mit Wolfgang „Wolle“ Petry sein höllisches Comeback planen. Und wenn Donald Trump alias „DJ White House“ aus Van Halens „Jump“ die Shutdown-Hymne „Trump“ macht, blickt Müller nach einigen strapazierten Mauerwitzen auch in nachdenkliche Gesichter im Publikum, während „Heldentaten“ des amerikanischen Präsidenten über die Leinwand flimmern. Einen Mini-Versprecher seines Radiokollegen Kristian Thees nimmt Andreas Müller zum Anlass, dem Publikum nicht nur akustisch, sondern auch optisch durch eine Fotomontage statt Kylie Minogue einen Reiner Calmund als „Calli Minogue“ im rosa Minikleid direkt ins Kopfkino zu projizieren. Und wo er schon beim Thema Nuscheln angelangt ist, schont Müller nach einer Runde mit der SWR3-Wortverdreher-Comedy „Tuten Gag“ gegen Ende die Stimmbänder mit Schauspieler Til Schweiger, der seinen mallorquinischen Finca-Nachbarn und Ex-Radprofi Jan Ullrich zu therapieren versucht. Egal, welche Stimme von Müller man nun am liebsten mag – der tosende Schlussapplaus im ausverkauften Saalbau zeigt wieder, dass der „Mann der 1000 Stimmen“ auf jeden Fall noch immer den Hör- und Humornerv seiner vielen Fans trifft.

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