Über den Kirchturm hinaus Liebevoll – auch wenn’s weh tut

Gerd Rieger
Gerd Rieger

Was der Apostel Paulus uns sagen will.

Am Ende von Reden, von Diskussionsbeiträgen oder von Briefen ist es meist üblich und hilfreich, das Wichtigste noch mal in einem Satz zusammenzufassen. Auch der Apostel Paulus tat das etwa 55 nach Christus am Ende eines Briefs an die Gemeinde in Korinth. „Alles, was ihr tut“, so schrieb er, „geschehe in Liebe“. Dieser Satz wurde von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen als Jahreslosung, als Leitvers für das Jahr 2024 ausgewählt.

Wenn er uns im Laufe des Jahres oft und an vielen Orten begegnet, werden möglicherweise vielen Walt Disney oder Rosamunde Pilcher in den Sinn kommen. Aber wenn Paulus von Liebe spricht, meint er damit nicht ein Gefühl, sondern eine menschliche Grundhaltung. Eine Grundhaltung, die mich dazu bringt, jeder und jedem offen zu begegnen und sie oder ihn fair, respektvoll und gerecht – eben liebevoll – zu behandeln, vielleicht grundlos etwas Gutes zu tun.

Klingt einfach, aber ...

Das klingt wahrscheinlich einfacher, als es ist, wenn man auf einer Behörde unfreundlich angesprochen wird, wenn einem einer – obwohl ich schon länger wartete – den freigewordenen Parkplatz wegschnappt; oder wenn man in den ersten Januartagen – wie meiner Schwiegertochter passiert – von einer fremden Frau in einer fremden Sprache im Bus nachhaltig beschimpft wird. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – das ist dann tatsächlich eine Herausforderung.

Aber vielleicht ist es trotzdem ein guter Vorsatz für das vor uns liegende Jahr, es einfach zu versuchen. Ruhig zu bleiben, wenn meine Wut eigentlich einen impulsiven Kommentar fordern würde. Innezuhalten, wenn meine Enttäuschung eigentlich nach Rache schreit. Näher hinzusehen, wenn meine Vorurteile eigentlich schon Klarheit haben. An einem besonders stressigen Tag zu merken, dass es einfach nur mein eigenes dünnes Nervenkostüm ist, was sich meldet; wenn der Herr an der Käsetheke vor mir, trotz zehn Leuten hinter sich, unzählige Fragen stellt, um dann letztlich doch nichts zu kaufen.

Macht einen Unterschied

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – Paulus empfiehlt uns eine Grundhaltung und ich glaube er hat gewusst, dass es im Alltag nicht immer gelingen wird. Aber wenn wir uns diese Grundhaltung zu eigen machen, uns alle bemühen, wird es bestimmt einen Unterschied geben und manche konfliktgeladene Situation für alle Beteiligten erträglicher werden. Meine Schwiegertochter hat es in den ersten Januartagen im Bus glücklicherweise geschafft.

Der Autor

Gerd Rieger, Gemeindediakon im protestantischen Dekanat Neustadt

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