Neustadt Mit Rossini aufs Siegertreppchen

Die Mezzosopranistin Ruth Katharina Peeck erreichte mit einer brillanten Arie aus Rossinis „Semiramide“ den ersten Preis der Jur
Die Mezzosopranistin Ruth Katharina Peeck erreichte mit einer brillanten Arie aus Rossinis »Semiramide« den ersten Preis der Jury.

«Neustadt». Mit einer großen Überraschung endete am Freitagabend nach einem dreistündigen Sängerwettstreit der Neustadter Meistersingerkurs 2018: Völlig konträr zur Entscheidung der Musikexperten hob das Publikum den russischen Bass Stanislav Korolev aufs Siegertreppchen. Der erste Preis der Jury ging an die Koloratursopranistin Ruth Katharina Peeck.

Traditionell gilt der Neustadter Meisterkurs vor allem als Plattform für Koloratur-Sopranistinnen, galt doch seine Gründerin Erika Köth als beste deutsche „Königin der Nacht“ ihrer Zeit. Diesmal aber mischten die Herren ordentlich mit, angefangen mit Fabian Kelly, dem man nach seiner glanzvollen Gounod-Interpretation durchaus den Sieg gewünscht hätte, der aber am Ende mit dem dritten Platz vorlieb nehmen musste. Wie der Bass-Bariton Florian Küppers zählt Kelly zu den „Wiederholungsstätern“. Beide holten in der Vergangenheit bereits Preise in Neustadt. Beim Wettbewerbskonzert ließen sie nun ordentlich die Muskeln spielen: Kelly mit seinem zum Dahinschmelzen sympathischen Tenor, einer Stimme, die Assoziationen zum jungen Fritz Wunderlich aufkommen lässt. Küppers, der sich als einziger Meisterschüler mutig in die kalten Fahrwasser des 20. Jahrhunderts stürzte, mit einer geradezu diabolischen, von einer bezwingenden darstellerischen Kraft beseelten Szene aus der Oper „Billy Budd“ von Benjamin Britten, die ihm den zweiten Preis der Jury einbrachte. Die „Nachtigall des Abends“ aber war für die Jury – absolut nachvollziehbar – die Mezzosopranistin Ruth Katharina Peeck, die mit der Aria der Semiramide „Bel raggio lusinghier“ aus der gleichnamigen Rossini-Oper einen großen Wurf ablieferte. Sie vereint großes klangliches Volumen mit perfekter, von einer unglaublichen Brillanz gesegneten Virtuosität und musikalischem Ausdruckvermögen. Vor allem in den hohen Bereichen, dort, wo die Luft ganz eng wird, agiert sie mit einer Unbekümmertheit, die ihresgleichen sucht. Wie einige weitere Kursteilnehmer entstammt Peeck der Mainzer Talentschmiede von Claudia Eder und nahm bereits zum dritten Mal am Meisterkurs teil. Wir dürfen gespannt sein, wie’s weitergeht – vielleicht ist dieser Sieg ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg in eine große Karriere. Wie bei Wettbewerben so üblich, gab es am Ende auch einige enttäuschte Gesichter, allen voran jenes der Mezzosopranistin Larissa Botos. Immerhin erhielt sie den dritten Förderpreis, was angesichts ihrer überragenden Leistung aber wie ein Trostpreis anmutete. Ihre Darstellung einer Liebes-Arie aus „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saëns zählte zu den Gänsehaut-Nummern des Abends. Zauberhafte Klangwelten entfaltet dieser herrliche Mezzosopran nicht nur im Spitzentonbereich, sondern auch in den von einem sonoren, stimmlich fast ein wenig an verruchte Zarah-Leander-Attitüden erinnernden tiefen Registern. Sei’s drum, sie wird ihren Weg machen. Zum Verständnis: Förderpreise gehen nur an Teilnehmer unter 26 Jahren. „Noch nie war das Durchschnittsalter der Meisterschüler so niedrig wie in diesem Jahr“, erläuterte Moderator Markus Hoffmann. „Nesthäkchen“ Leon Tchakachow, 22 Jahre jung, leitete mit der Arie des Papageno „Ein Mädchen oder Weibchen“ den Reigen der Klassik-Topschlager ein, konnte allerdings trotz seines unter Beweis gestellt guten Ballgefühls mit einer hin- und herfliegenden Metallkugel weder Jury noch Publikum zu einer Preisvergabe überzeugen. Mehr Glück hatte da Stanislav Korolev mit der Bass-Arie „La calunnia è un venticello“ des Don Basilio aus dem „Barbier von Sevilla“. Warum das Publikum gerade ihn trotz offenkundiger stimmlicher Schwächen zum Sieger kürte, bleibt ein Rätsel. Es war vielleicht die Belohnung für seine Bühnenpräsenz und seine charismatisch-männlich-markante Ausstrahlung. Und da steht ja außerdem immer die Frage des Repertoires im Raum. Während die Jury aus sachlich-objektivem Interesse heraus versucht, sich ganz auf die Qualität der Interpretation zu konzentrieren, lässt der Musiklaie meist das Stück selbst in die Beurteilung mit einfließen. Will sagen: Ein Interpret hat mit einem gefällig-unterhaltsamen Werk eher die Chance, einen Treffer beim Publikum zu landen, als mit schwerer Kost. Zu erwähnen wäre auch noch der junge Tenor und Eder-Schüler Erik Reinhard, der eigentlich vor allem Organist und Kirchenmusiker ist und sich mit einer wunderbar beweglich artikulierten Mozart-Arie aus der Oper „Il re pastore“ den ersten Förderpreis holte. Oder die reifste Frauenstimme des Abends, die der erst 24–jährigen, in Karlsruhe studierenden Mezzosopranistin Jasmin Désirée Schaff, die mit der Arie „Una voce poco fa“ den Rossini-Reigen einleitete, dabei einen Zauberton nach dem anderen produzierte und sich am Ende immerhin über den zweiten Förderpreis freute. Und wenn von Überraschungen die Rede sein soll, darf Sonja Grevenbrock nicht unerwähnt bleiben. Unerklärlicherweise wurde die ergreifend biegsame Legato-Kunst der gestandenen, bereits sattelfest im Operngeschäft befindlichen Sopranistin am Beispiel des „Liedes an den Mond“ aus der Oper „Rusalka“ von Dvorak mit keinem Preis gewürdigt. „There’s no business like show business“, das gilt auch für den Neustadter Meisterkurs, der Jahr für Jahr technisch aufrüstet und heuer mit pyrotechnischen Specials und Gold-Papier-Konfetti-Explosionen an beliebte Fernsehformate anknüpfte. Und während die Jury brütete und ihre Bedenkzeit gehörig ausdehnte, begeisterten sämtliche Meisterschüler unter dem Motto „Viva España“ mit einem andalusischen Potpourri von Manuel de Falla. Ein Sonderapplaus außerdem für die beiden Korrepetitoren Seung-Jo Cha und Hedayet Djeddikar für ihre lupenreinen, auch musikalisch wertvolle Impulse setzenden Klavierbegleitungen. Und ein weiterer für die faszinierende Mezzosopranistin und Tschaikowsky-Interpretin Regina Pätzer, die diesmal nur außer Konkurrenz sang.

Der Laie entscheidet, der Experte wundert sich: Stanislav Korolev ersang sich mit einer Arie aus dem „Barbier von Sevilla“ den P
Der Laie entscheidet, der Experte wundert sich: Stanislav Korolev ersang sich mit einer Arie aus dem »Barbier von Sevilla« den Publikumspreis.
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