Neustadt Schlaflos in der Welt der Zahlen

Zum dritten Mal hat das Hannah-Arendt-Gymnasium die Nacht zum Tag gemacht. Ein Dreikampf in den Disziplinen Rechnen, Spiel und Sport stand für gut 100 Fünftklässler auf dem Programm bei der „Mathe.Forscher.Nacht“ von Dienstag auf Mittwoch. Der Sinn dahinter: Mathe im Alltag verständlich machen und Begeisterung für das oftmals ungeliebte Schulfach wecken.

Und das scheint tatsächlich zu funktionieren: „Zwei Drittel der Teilnehmer hatten danach Mathe als Lieblingsfach“, erzählt Heinrich Beilmann, Mathematiklehrer und Leiter des Mathe.Forscher-Programms am HAG, im Rückblick auf die beiden zurückliegenden Mathe-Nächte 2013 und 2014. Bei Sarah Götz (17) und Melanie Scheurer (16) hat’s auch ohne Übernachtung in der Schule geklappt: Die Elftklässlerinnen haben sich für Mathematik als Leistungskurs entschieden und sind heute wie rund 50 weitere Oberstufenschüler auch aus dem Leistungskurs Sport sowie die Klassenpaten aus den 9. Klassen für die Betreuung der Fünftklässler zuständig. Sarah und Melanie haben genug Papier in petto und helfen den Teilnehmern bei Bedarf auch mit ein paar Tipps weiter. Die Mathe-Nacht stärke die Gemeinschaft und helfe den Kleinen, sich besser in der Schule zurechtzufinden, meinen die Betreuerinnen. Ihre Schützlinge sind in Viererteams eingeteilt und versuchen sich hier im Rechenraum gerade im Lösen der Aufgaben auf einem der insgesamt 20 Aufgabenblätter, die es die Nacht über zu bearbeiten gilt. Wer hier hereinkommt, sieht schon die Köpfe rauchen. Denn es geht um mehr als um bloßes Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren. Bei kniffeligen Textaufgaben ist nämlich auch etwas Knobeln angesagt: „Jule, Mona und Steffen setzen ein 120-Teile-Puzzle zusammen. Jule schafft dabei 13 Puzzleteile mehr als Mona. Steffen hat 39 eingefügt. Wie viele Teile hat Mona eingepasst?“ Für die richtige Antwort erhalten die Kinder drei Punkte. Die gesammelten Punkte werden im Wettkampfbüro nebenan fein säuberlich in eine Datei eingetragen, um am Ende den Sieger des Dreikampfs zu ermitteln. Auch im Spieleraum können die Teams Punkte machen. „Happy Cubes“ heißt das 3-D-Puzzle, bei dem es darum geht, aus Puzzleteilen Würfel zusammenzusetzen. Eine halbe Stunde haben die Teams dafür Zeit. Später wird die Aufgabe zum Beispiel sein, aus Zahnstochern und eingeweichten Trockenerbsen platonische Körper zusammenzubauen, kündigt Mathelehrer Beilmann an. Der aus vier Dreiecken bestehende Tetraeder gehöre da noch zu den einfachen Aufgaben, die bis zum Ikosaeder, dem 20-Seiter, reichten. Nach so viel Kopfarbeit ist als dritte Disziplin im Dreikampf der Sport angesagt. In der Turnhalle hat das vielköpfige Oberstufenschüler-Team um die Hauptorganisatorin, Mathelehrerin Anne Klein, hier Bewegungsspiele aufgebaut. Doch selbst beim Sport bleibt der Denkapparat in der Mathe-Nacht nicht ganz außen vor: Zum Meistern eines Parcours aus Bänken und Matten zur Musikbeschallung der Technik-AG gehört nämlich zum Beispiel auch Memory-Spielen. „Wer sich viel bewegt, schafft viele Verknüpfungen im Gehirn und kann besser Mathe machen“, ist sich Sport- und Chemielehrerin Hannah Altvater sicher. Wer nach so viel Anstrengung Hunger hat, kann sich am Büffet bedienen, das Eltern aufgebaut haben. Und müde Wettkämpfer können sich jederzeit in ihren Schlafsack legen. „Das werden die wenigsten machen“, erwartet Mathelehrer Beilmann. Zu aufregend ist doch für die Kinder die Aussicht, eine ganze Nacht lang aufbleiben zu dürfen und am nächsten Tag wie alle Beteiligten, darunter laut Beilmann auch fast alle der 20 Mathelehrer am HAG, schulfrei zu haben. „Kein Bock auf Mathe? Das wird heute bald anders“, zeigt sich Matthias Ludwig denn auch überzeugt. Ludwig hat den Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik in der Sekundarstufe I an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main inne und begleitet das Programm Mathe.Forscher Rhein-Neckar, das 2012 ins Leben gerufen wurde, wissenschaftlich. Der Mathe-Professor untersucht zum Beispiel mit der Auswertung von Fragebögen die Langzeiteffekte des Programms. Doch noch seien die Ergebnisse nicht aussagekräftig, erklärt er. Beilmann will am HAG mit weiteren Angeboten dazu beitragen, den Kindern sein Fach schmackhaft zu machen. So will er künftig seine Schüler zum Beispiel auch mal im Freien unterrichten und ihnen zeigen, wofür man in der Natur Mathe braucht: etwa, um die Breite eines Sees oder die Höhe eines Baums herauszufinden.

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