Über den Kirchturm hinaus Soll ich die fragen?

Michael Janson
Michael Janson

Was Vorurteile verhindern können.

„Macht es wirklich Sinn, die da anzusprechen?“ So ging es mir durch den Kopf, als ich jemanden besuchen wollte und die Adresse nicht fand. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs und hatte nur Straße und Hausnummer parat. „Das ist nicht ganz einfach zu finden!“, hatte man mir am Telefon gesagt. Ich aber meinte, mich in dieser Ecke gut auszukennen. Der Stadtplan am PC zuhause hatte mich bestätigt. Und dann war es doch anders: eine einzige Baustelle! Und ich hatte weder Navi noch Handy zur Hand. Ich muss jemanden fragen! Aber diese Gruppe von Jugendlichen mit ihren Fahrrädern dort vor dem Wohnblock? Was würden die mir antworten? Wie würden die reagieren? Ich war skeptisch.

Irgendwas in mir aber sagte: Warum nicht? Und ich sprach sie an. Mindestens drei zückten ihre Handys und gaben Straße und Hausnummer ein. „Das ist da vorne, die nächste Straße.“ „Aber da ist nur eine Baustelle, da ist alles abgesperrt,“ wandte ich ein. Sie aber waren sicher: „Doch, da kommen Sie schon rein!“ Und sie hatten Recht. Schließlich fand ich zu meinem Termin, wenn auch mit Verspätung. Die Jungs hatten mir geholfen.

Ich war beschämt. Ein klassisches Vorurteil hatte mich gebremst. Warum eigentlich? War es das Alter? Die Kleidung? Die Gruppe? War es die Tatsache, dass da ein paar stark wirkende Jungs rumstanden und in meiner Befürchtung einer den anderen mit starken Bemerkungen übertönen würde? Das alles aber geschah nur in meinem Kopf. Und dabei blieb es. Die Wirklichkeit war anders.

Das liegt schon einige Wochen zurück. Aber ich denke immer wieder daran. Halten wir nicht allzu oft an Bildern fest, die wir in uns tragen? Und lassen uns von ihnen leiten? Ich möchte mich noch weniger bremsen lassen von meinem Kopfkino, ganz gleich, um was und wen es geht!

Der Autor

Michael Janson, Pfarrer der katholischen Pfarrei Hl. Theresia von Ávila, Neustadt

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