Neustadt Spontan, fesselnd und flexibel

Neustadt. „Großes“ – sowohl was die Musik als auch die Körperlänge der Ausführenden betraf – gab es am Samstagabend im Wirtshaus „Konfetti“ zu erleben, wo auf Einladung des Kulturvereins „Wespennest“ der zwei Meter messende englische Singer-Songwriter Julian Dawson ein „riesiges“ Konzert gab. Dabei begleitet wurde er von dem aus Hamburg stammenden Gitarristen Uli Kringler, der mit 1,94 Metern nur wenig kleiner als der Brite ist.

Zusammen boten die beiden Musiker einen Mix aus Folk, Blues, Pop und Rock an, der von den zahlreich anwesenden Fans mit sehr viel Jubel und Beifall quittiert wurde: Julian Dawson ist als Komponist und Produzent weltweit gefragt, hat aber unter eigener Flagge den ganz großen Durchbruch nie geschafft. Sein größter Erfolg in Deutschland liegt mit „How Can I Sleep Without You“, das immerhin Platz 53 der Charts erreichte, bereits 23 Jahre zurück. Der Brite ist somit als Sänger, Gitarrist, Banjo- und Harpspieler – auch nach vierzig Jahren im Geschäft und 21 herausgebrachten Longplayern – dem Geheimtipp-Status leider immer noch nicht vollends entwachsen. Anders dagegen sieht es in seiner Funktion als Produzent aus. Hier vertraute ihm beispielsweise sein langjähriger Freund, „BAP“-Frontmann Wolfgang Niedecken, und ließ ihn bei seiner aktuellen Veröffentlichung „Zosamme Alt“ die Knöpfe drehen und Fäden ziehen. Das Album schaffte es bis auf Platz Vier der Deutschen Hitparade. Dass Julian Dawson auch als Musiker einen weitaus höheren Stellenwert verdient, als den, den er momentan genießt, bewies er in Neustadt eindrucksvoll. Seinen Auftritt eröffnete er, trotz stimmlicher Probleme aufgrund einer Erkältung, traditionell mit einer a cappella vorgetragenen Nummer, diesmal „The Sparks Of Human Kindness“, um anschließend mit „I Still Believe In Love“– zur eigenen und zu Kringlers Gitarrenbegleitung – das „Mission Statement“ des Duos abzugeben, wie er erklärte. Kringler tritt bereits seit sieben Jahren mit Dawson auf und ist ein hervorragender Gitarrist. Da die beiden, der Spontaneität wegen, keine vorher festgelegte Setliste mit auf die Bühne gebracht hatten, und Dawson jeweils aus dem Bauch heraus entschied, was als nächstes gespielt werden sollte, machte das Kringler natürlich nicht immer einfach, sofort den richtigen Einstieg in den jeweiligen Song zu finden. Hier war Improvisationstalent gefragt, über das der Deutsche aber reichlich verfügt. So erinnerte sich Julian Dawson während des Konzertes seiner Freundschaft mit der Gruppe „Little Feat“ (dem leider an Krebs erkrankten Gitarristen Paul Barrére verdankt er seinen Spitznamen „Big Julie“), und bekam plötzlich Lust, deren Hit „Dixie Chicken“ zu spielen. Zusammen mit dem jetzt etwas überrascht dreinblickenden Uli Kringler hatte er dieses Stück noch nie aufgeführt: Trotzdem klappte die Sache hervorragend. Wie flexibel Kringler ist und über welch schnelle musikalische Auffassungsgabe er verfügt zeigt ein Blick in den Back-Katalog des 53-jährigen. Hier tauchen u. a. Namen wie Pe Werner, Sarah Connor, „2Raumwohnung“ und sogar „Modern Talking“ auf. Mit Julian Dawson spielte er sich durch ein Repertoire, das sehr viele ältere Stücke, darunter „Queen Of The Bayou“, „One By One By One“, oder „Cover To Cover“ beinhaltete, aber auch einige nagelneue Stücke, wie „Lorraine, Lorraine“ präsentierte, die so frisch waren, dass Dawson die Texte noch vom Blatt ablesen musste. Auffällig war, dass Dawson in ein von anderen Musikern bei Liveauftritten selten eingesetztes Großmembran-Mikrofon sang, das es ihm erlaubte, sich davon relativ weit entfernen zu können, ohne damit der Soundqualität zu schaden. Somit konnte der (noch) 59-jährige seinem Publikum sehr nahe kommen und seine, von ihm als „True Stories“ bezeichneten, unterhaltsamen Geschichten erzählen, an deren tatsächlichem Wahrheitsgehalt allerdings gezweifelt werden darf. Dawson und Kringler schafften es, ihr Publikum von der ersten bis zur letzten Minute zu fesseln und zu beeindrucken. Als Zugabe gab es „Do You Believe In Magic“ von John Sebastian, „ein Stück, das für mich alles über Musik aussagt, was es darüber zu sagen gibt“, wie Dawson es beschrieb. Mit „The World Keeps On Changing“ verabschiedete sich der Hüne dann endgültig von seiner pfälzischen Anhängerschaft.

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