Neustadt „Verkehrssicherheit braucht Kontrolle“

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Seit 16 Jahren kontrolliert die Verbandsgemeinde Bruchmühlbach-Miesau selbst, ob Kraftfahrzeuge innerorts zu schnell fahren. Die Gebietskörperschaft im westlichen Landkreis Kaiserslautern zählt insgesamt 10.330 Einwohner in fünf Gemeinden. Bürgermeister ist seit 26 Jahren Werner Holz (SPD).

Herr Holz, warum hat die Verbandsgemeinde damals die Kontrolle übernommen?

Damals wie heute haben Anwohner – in Neubaugebieten, aber auch von Durchgangsstraßen – sehr nachdrücklich darum gebeten, Geschwindigkeitsreduzierungen auf 30 km/h anzuordnen. Ich hatte das damals positiv aufgenommen, aber in Übereinstimmung mit dem Rat immer darauf hingewiesen, dass das nur sinnvoll ist, wenn es auch eine wirksame, sprich regelmäßige, aktive, spürbare Kontrolle gibt. Überall Tempo 30 anzuordnen, obwohl die Polizei so gut wie überhaupt nicht überwacht hat, ergab keinen Sinn. Was bedeutet denn „so gut wie überhaupt nicht“? Tatsächlich hatten wir allenfalls zwei, maximal drei Kontrolltermine, und die auch nur an den Hauptverkehrsstraßen. Noch deutlicher wird es, wenn Kommunen in Übereinstimmung mit Bürgern Straßen zu „verkehrsberuhigten Bereichen“ erklären, wo nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist. Polizeikontrollen dort? Noch nie! Mittlerweile allenfalls vor Kitas, Schulen, aber auch nicht öfter als zwei-, dreimal im Jahr. Und was wurde damals investiert? Die Beschaffungskosten lagen bei 54.000 Mark. In diesem Jahr investierten wir noch einmal rund 43.000 Euro für Ersatzbeschaffungen. Diese Summe wird aber über zehn Jahre abgeschrieben, weshalb mit eher geringen technischen Betriebskosten von etwa 4200 Euro im Jahr gerechnet werden muss. Und an Personal? Ein Mitarbeiter in Teilzeit ist zu etwa 90 Prozent im Innendienst mit dem Thema befasst. Kontrolliert wird durch weitere Teilzeitbeschäftigte – rund vier Stunden lang an jedem Werktag. Die Personalkosten liegen alles in allem bei 50.000 Euro im Jahr, die „Erträge“ bei etwa 20.000. Also machen Sie jedes Jahr „Miese“. Abzocke kann der Verbandsgemeinde damit nicht vorgeworfen werden ... Mit Kosten und Erlösen hat das gar nichts zu tun. Es geht allein um die Verkehrssicherheit. Abgesehen davon, „rechnet“ sich so etwas nie, wenn man den ganzen Nachbearbeitungsaufwand einrechnet. Das Argument „Abzocke“ wird gern von denen gebraucht, die nach dem in meinen Augen unsäglichen Argument des ADAC leben: „Freie Fahrt für freie Bürger“. So gesehen, sind nicht die im Unrecht, die die Regeln übertreten zu Lasten und zum Schaden anderer, sondern jene, die die Einhaltung von ja nicht grundlos erlassenen Verkehrsregeln durchsetzen. Eine solche Argumentation wäre aber paradox. Aus Ihrer Sicht wäre es demnach auch ganz egal, wie groß eine Kommune ist, wenn sie selbst kontrolliert? Noch einmal: Die Reduzierung auf das Thema Kosten geht völlig an der Wirklichkeit vorbei. Verkehrssicherheit braucht auch Kontrolle. Spielt es da eine Rolle, ob eine Kita in einer Stadt mit 50.000 Einwohnern liegt oder in einer Ortsgemeinde mit 1000? Und was ist mit den Senioren, die mit ihrem Rollator auf die Straßen ausweichen müssen, weil die Gehwege zugeparkt sind oder die Kommunen schon mal gar keine ausreichend breiten Gehwege haben? Deshalb überwachen wir auch regelmäßig die Freihaltung der Gehwege. Das hat den überaus wirksamen Nebeneffekt, dass die Autos auf der Fahrbahn parken müssen – und dort sind sie kostenlose Geschwindigkeitsbremsen. Hat die Dauerkontrolle denn auch tatsächlich etwas bewirkt? Unsere Erfahrungen sind nur positiv. Die Beanstandungsquote liegt kontinuierlich bei unter fünf Prozent aller gemessenen Fahrzeuge. 90 Prozent davon fuhren zwischen 53 und 60 km/h, zudem gab es einige Ausreißer. Die bislang maximal gemessene Geschwindigkeit lag bei 100 km/h im Tempo-50-Bereich. Trotzdem lassen Sie die Zügel nicht lockerer? Wenn die Regeln beachtet werden und die Einnahmen deshalb zurückgehen, ist das Ziel in vollem Umfang erreicht – aber eben auch nur so lange, wie kontrolliert wird. Insgesamt scheint mir das Verständnis für die Sicherheitsbelange aller Verkehrsteilnehmer, das sind auch Kinder auf Fahrrädern, wenig ausgeprägt. Da hat die Kommune auch eine „Fürsorgepflicht“ für die Schwächsten! Mancherorts wird gesagt: Wir wollen als Kommune keine Existenzen vernichten, nicht dafür verantwortlich sein, dass Menschen wegen Führerscheinentzugs ihre Arbeit verlieren. Haben Sie damit ein Problem? Wer sich so über die Regeln hinwegsetzt, dass der Führerscheinentzug droht, muss das ertragen. Wie man dem begegnet: einfach an die für alle geltenden Regeln halten. Jeder hat es selbst in der Hand. Im Übrigen geht das immer mit einer Gefährdung der Sicherheit anderer einher. So was kleinzureden, ist unangemessen. Und Sie haben auch keine Sorge, das Land zulasten des kommunalen Ordnungsamts zu entlasten? Auf gar keinen Fall: Der Sicherheitsgewinn für die Bürger ist und kann nur das Interesse jeder Kommune sein. Entlasten würde ja voraussetzen, dass das Land eine intensive Überwachung praktiziert. Wie oft ist das in Neustadt der Fall? Die Polizei könnte aber auch personell und technisch aufgestockt werden. Gegenfrage: Wie viele Überstunden schieben Polizisten denn jetzt schon vor sich her? Kommunen, Staat und Polizei müssen in gemeinsamer Verantwortung handeln. Man sollte die Polizei Besseres tun lassen, als sich mit Geschwindigkeitskontrollen innerorts zu beschäftigen. Kommt eine intensive Überwachung nicht dem Überwachungsstaat gleich? Zum einen: Sich vor dem Unangenehmen zu drücken, kann nicht die Sache eines Bürgermeisters sein. Zum anderen hatten die Gemeinden schon polizeiliche Aufgaben wahrgenommen, lange bevor es funktionierende staatliche Strukturen gab. So gesehen ist das eine natürliche Aufgabe zunächst und vor allem der Gemeinden. Wenngleich es vermutlich manchem Kommunalen lieber wäre, dass alles Unangenehme vom Staat angezogen wird. Ich habe einen etwas anderen Kommunalbegriff. Wären Geschwindigkeitsmessanlagen mit Smileys statt richtiger Kontrollen eine Alternative? Davon haben wir auch eine installiert. Die Kästen haben nur Hinweisfunktion, werden aber auch von Bürgern verlangt. Insgesamt ist das Interesse an einer aktiven Überwachung ergänzt durch die Smiley-Tafeln stark gestiegen. Selbst auf den Durchgangsstraßen wird Tempo 30 mittlerweile eingefordert, obwohl der Landesbetrieb Mobilität das blockiert. Die Leute schätzen es, wenn langsamer gefahren wird. (Foto: Archiv)

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