Neustadt „Vier Ansichten“, geteilte Meinungen

In den Augen des wenig kunstsinnigen Laien handelt es sich schlicht um vier rostige Metallobjekte, für Kenner ist es „Kunst am Bau“. Schulintern wird es laut Schulleiter Seger nur „das Hofkunstwerk“ genannt – und es sei bei den Schülern „sehr umstritten“. Klar ist dagegen: Das neue Kunstwerk im Schulhof des Hannah-Arendt-Gymnasiums (HAG) heißt „Stationen – vier Ansichten einer Skulptur“, stammt vom Bildhauer Christoph Mancke aus Lünebach in der Eifel und hat 30.000 Euro gekostet. „Nichts Besonderes“, „rausgeschmissenes Geld“, „man gewöhnt sich dran“, „etwas mit Graffiti wäre schöner gewesen“, „Sie werden keinen finden, dem es gefällt“, „unfallträchtiges Hindernis auf dem Schulhof“. Das sind gesammelte Kommentare einiger Schüler aus der 13. Jahrgangsstufe, die gerade im MSS-Raum, dem sogenannten „Aquarium“, eine Freistunde verbringen. Ein paar Fünftklässler, die während der Pause auf dem Hof toben, sind da allerdings ganz anderer Meinung: „Wir finden’s super“, strahlt einer der Jungs, während ein anderer begeistert auf dem liegenden Rostobjekt herumhüpft. Das hallt laut und macht schön viel Krach. „Wir spielen hier immer“, sagt einer der Freunde. Seger nimmt’s mit Humor: „Das ist ja das Schöne, wenn ein Kunstwerk umstritten ist“, findet er. „Es würde mich eher ein bisschen misstrauisch machen, wenn es allenthalben Zustimmung fände“, schiebt er noch nach. Auch Landrat Hans-Ulrich Ihlenfeld (CDU) habe sich bei einem Unterrichtsbesuch in einem Oberstufen-Deutschkurs bereits der Diskussion gestellt, berichtet Seger. Die Schüler hätten nachgefragt, warum der Kreis mit dem Geld nichts Sinnvolleres angefangen habe, etwa den Kauf neuer Computer für die Schule. Tatsache ist: Der Kreis hatte keine Wahl. „Kunst am Bau“ muss sein. Dazu gibt es eine Verwaltungsvorschrift „Künstlerische Ausgestaltung öffentlich geförderter Hochbauten“ (siehe „Zur Sache“). Das Kunstwerk sei für das Gebäude „durchaus angemessen“ und „gut platziert“, darüber hinaus „keine Kunst, die auf dem Sockel steht“, findet der Schulleiter, der selbst in der Kommission saß, welche die „Kunst am Bau“ fürs HAG ausgewählt hat. Sein vielsagender Kommentar: „Es waren lange Sitzungen, bei denen der Kunstverstand der Teilnehmer miteinander rang.“ Die vier rostigen Objekte sind alle exakt gleich geformt und wirken durch ihre unterschiedliche Positionierung – vertikal oder horizontal aufgestellt und jeweils verschieden gedreht - dennoch ganz unterschiedlich. Insofern seien sie ein „in ein Bild gegossener Leitgedanke pädagogischer Überlegungen, dass der Urteilende verschiedene Perspektiven zum Gegenstand einnehmen sollte, einnehmen kann, um die Gesamtheit eines Phänomens zu erfassen“, philosophiert Seger. „Das muss einem erstmal einer erklären“, kommentiert das einer der befragten 13er trocken. Und weil das Kunstwerk sich nicht jedem unmittelbar erschließt, sondern erst interpretiert und erklärt werden muss, kann sich der Schulleiter vorstellen, Schulstunden zur „Kunst am Bau“ abzuhalten: „eine Einführungsstunde im Geschichtsunterricht und eine für den 13. Jahrgang in Deutsch“. Eines weiß Seger aber jetzt schon: „Das Kunstwerk wird deutlicher als jetzt zur Wirkung kommen, wenn der Schulhof nach Plänen des Kreises saniert und in eine neue Form gegossen sein wird.“ Das wird laut Kreisverwaltung allerdings noch ein Weilchen dauern: „Der Hof wird Thema bei den Haushaltsberatungen für 2016/2017 sein. Vor 2016 werden also keine Arbeiten beginnen, wahrscheinlicher ist 2017“, kündigt Sprecherin Sina Müller an. Und vor der Hof-Neugestaltung sei noch der Bau von Musikübungszellen am jetzigen Standort des Hausmeisterhauses geplant. Insofern seien die Planungen noch nicht sehr konkret, da noch die Kosten geprüft werden müssten. Klar ist: Der Schulhof müsse neu gemacht werden, unter anderem wegen „Stolperfallen“ durch die Wurzeln von Bäumen, die den Belag an manchen Stellen aufsprengten und wegen der Entwässerung, die momentan nur unzureichend funktioniere. Geplant sei, dass der Hof neu gepflastert wird, noch Bäume gepflanzt und Sitzbänke aufgestellt werden, so Müller. Eltern müssen sich keine Sorgen machen, dass das Kunstwerk die Sicherheit und Sauberkeit ihrer Sprösslinge gefährden könnte. Laut Seger ist es verboten, auf die hochkant stehenden Objekte zu klettern, da man bei einem Sturz „aus 2,40 Metern Höhe hart fallen würde“. Und obwohl die Skulpturen rostig sind, hinterlassen sie keine Spuren auf Jeans oder Jacke, denn sie bestehen aus einem speziellen Material namens Cor-Ten Stahl. Und bei dem färbt der Rost nicht ab. Und wer sich nun selbst nicht sicher ist, ob er die vier Rostobjekte für Kunst halten soll oder nicht, kann es ja mit Picasso halten. Der meinte einmal: „Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten.“

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