Lambrecht Visitation: Das Positive im Blick behalten

Karl-Heinz Wiesemann beim Gottesdienst im Seniorenheim der Arbeiterwohlfahrt in Lambrecht.
Karl-Heinz Wiesemann beim Gottesdienst im Seniorenheim der Arbeiterwohlfahrt in Lambrecht.

Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat an zwei Tagen die Verbandsgemeinde Lambrecht besucht. Bei seiner Visitation machte er sich ein Bild von der Gemeinde und suchte die Nähe zu den Menschen. Warum es für ihn so wichtig ist, das Engagement zu stärken.

Es ist der zweite Tag der Visitation von Bischof Karl-Heinz Wiesemann in der Verbandsgemeinde Lambrecht. An diesem Tag wird er im Seniorenhaus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) erwartet, wo er für die Bewohner einen Gottesdienst halten wird. Wiesemann wird begleitet von dem neuen Pfarrer der Gemeinde, Christoph Herr, dem Gemeindereferent Michael Kolar und dem Kaplan Praveen Isukupalli.

Die Senioren haben sich im „Steinhaus“ auf dem Awo-Gelände versammelt. Das Gebäude, in dem einst die Stickerei untergebracht war, gehörte früher zur Tuchmacherfabrik. Heute ist es dem Anlass entsprechend mit Blumen und Altar hergerichtet. Die Vorbereitungen des Bischofsbesuchs im Seniorenwohnheim nahmen etwa zwei Wochen ein. Rund 30 Senioren der insgesamt 137 Bewohner wollen dem Gottesdienst beiwohnen und haben ihre Plätze eingenommen. Schließlich ist der hohe Besuch etwas Besonderes im Alltag der Menschen.

Pfarrer ist den Menschen wichtig

Eine Seniorin berichtet, dass sie evangelisch sei, in ihrer Familie jedoch auch Katholiken zu finden seien und sie sich eher wie ein „Zwitter“ fühle. Ob sie den Bischof treffen will? „Nein, eigentlich bin ich hier, um den neuen Pfarrer kennenzulernen“, sagt sie. Zustimmendes Nicken in der Runde. Der Pfarrer ist den Menschen im Seniorenheim wichtig, denn mit ihm müssen sie noch essenzielle Dinge besprechen, dann, wenn es um das Leben und den Tod geht. Der Pfarrer ist näher an ihrer Realität als der Bischof. Herr, der erst kürzlich die Gemeinde übernommen hat, freut sich über die Neugier und die herzliche Aufnahme. Der Bischof, der pünktlich erscheint, schlägt schnell eine Brücke zu der versammelten Gruppe. Mit zielgruppenorientierter Sprache in Lautstärke, Geschwindigkeit und Themenauswahl erreicht er rasch die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer.

In seiner freien Ansprache erzählt er unter anderem von seiner Mutter, die in Speyer in einem Seniorenheim lebte, und knüpft so an die Erlebniswelt der Senioren an. Die Kommunion verteilt Wiesemann selbst, während er durch die Stuhlreihen geht. Nicht jeder der Anwesenden ist noch mobil. Am Ende der Messe verabschieden sich die Herren der Kirche persönlich von jedem einzelnen Besucher, wechseln ein paar Worte, schütteln Hände und geben Segenswünsche mit auf den Weg.

Bischof hört die Botschaft

In kurzen, aber prägnanten Sätzen formulieren die Menschen für sie Wichtiges. „Das ist hier meine letzte Station“, sagt eine zierliche Dame. Eine andere betont: „Ich habe vier Söhne großgezogen.“ Wiesemann hört und versteht, welche Botschaften gesendet werden.

Es ist nicht der erste Termin an diesem Tag. Während der Visitation, die im Fünfjahresrhythmus erfolgt, wird der Ist-Zustand erkundet und werden Probleme aufgenommen. Bischof Wiesemann hat bereits am Morgen eine Kindertagesstätte besucht, wo er mit Stab und Mitra ausgerüstet vor den Kindern erschien. Anschließend traf er sich mit den Erzieherinnen aus fünf Tagesstätten, um über die baulichen, finanziellen, organisatorischen und personellen Bedingungen in den Einrichtungen zu sprechen. Das war fachlich keine leichte Kost, aus den Gesprächen nimmt er Aufgaben mit. „Man muss aufpassen, dass man vor lauter Problemen nicht nur seinen Fokus darauf legt, was nicht geht“, sagt der Bischof. Natürlich müssten die Schwierigkeiten angesprochen und möglichst aus dem Weg geräumt werden. „Es ist jedoch ebenso meine Aufgabe, die großartige Arbeit zu sehen, zu benennen und Worte zur Motivation zu finden“, sagt er. Es sei sehr wertvoll, welche Werte die Erzieherinnen den Kindern tagtäglich vermitteln. „Das kann man nicht hoch genug schätzen“, sagt er.

Wunsch nach Anerkennung Ehrenamtlicher

Er spricht ebenso von dem Beitrag der Menschen aus Pflegeberufen, von Kirchenbediensteten sowie von Ehrenamtlichen, die zu einem wesentlichen Teil zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitrügen. Das seien anspruchsvolle Aufgaben, die für die Allgemeinheit übernommen würden. Der Bischof wünscht sich, dass diese gesellschaftliche Anerkennung bekommen. „Ja, man kann Kritik üben am Staat, an Gesetzen und an allgemeinen Zuständen. Doch es lohnt sich, darauf zu achten, was wir Gutes haben.“ Der Fachkräftemangel sei allerorts ein großes Problem – auch in der Kirche. Viele Pastoralmitarbeiter gingen in nächster Zeit in Pension und würden Lücken hinterlassen. „Auch die Berufungen lassen nach.“

Woran das liegt? „Die Kirche hat zurzeit ein Glaubwürdigkeitsproblem“, sagt Wiesemann. Dem könne man nur mit persönlichen Begegnungen etwas entgegensetzen, sagt er. Er habe den Glauben an den Menschen noch nicht verloren, betont Wiesemann.

Das war nicht immer so. 2021 musste Wiesemann eine Auszeit nehmen. Er hatte die Grenzen seiner Belastbarkeit erreicht. Ein Missbrauchsskandal, in dem einige Priester verwickelt waren, erschütterte Speyer. Wiesemann machte ihn öffentlich. Das kostete viel Kraft. Seitdem versucht der Bischof, seine Reserven immer wieder zu schützen. Im Kalender notiert er sich freie Zeiten zur Regeneration. „Es ist verlockend, diese Zeitfenster sofort zu attackieren, wenn es stressig wird. Dem zu widerstehen, muss man lernen“, sagt er.

Mit Musik zur Ruhe finden

Um den Kopf frei zu bekommen, hilft ihm die Musik. Er spielt Klavier – nur für sich selbst, um zur Ruhe zu finden. Auch während seiner zweitägigen Visitation braucht der 64-Jährige Pausen, in denen er ruht. „Der Tag beginnt morgens um neun Uhr und endet frühestens um 22 Uhr. Darin liegen viele Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen. Probleme, die nach Lösungen verlangen. Und immer wieder heißt es, Mut zu machen und zu motivieren“, erzählt er.

Woher er die Motivation nimmt, auch für sich selbst? „Aus dem Glauben und dem Engagement der vielen Menschen“, sagt er. Aber manchmal werde es anstrengend, immer wieder mit frischen Ideen aufzuwarten. Dann müsse er selbst und für sich das Positive um ihn herum im Blick behalten.

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