Neustadt Von Drucker- und Weinpressen

An der Stiftskirche startete der meditative Spaziergang.
An der Stiftskirche startete der meditative Spaziergang.

Zum 500. Jahrestag der Reformation standen in Neustadt die Ökumene und nicht das Trennende im Mittelpunkt. In der Martin-Luther-Kirche waren bei dem Festgottesdienst zum Abschluss des Jubiläums allerdings einige Bankreihen nicht besetzt.

Auch die katholische Kirche beteiligte sich am „Tag der offenen Kirchen“. Den „Meditativen Spaziergang“ gestalteten Dekan Armin Jung und sein katholischer Kollege Michael Janson in trauter Eintracht. Jung war mit dem Zuspruch zu den verschiedenen Aktionen an dem Feiertag zufrieden. Bei der Begrüßung der Gläubigen zum Abschlussgottesdienst, darunter auch viele Katholiken, stellte er fest, der Reformationstag sollte zu einem generellen Feiertag erhoben werden, denn diesmal seien die protestantischen Kirchen, im Gegensatz zu normalen Gottesdiensten, wesentlich besser besucht gewesen. Die Andacht in der Martin-Luther-Kirche stand ganz im Zeichen der Kirchenmusik und dem Geschehen im 16. Jahrhundert. Die musikalische Gestaltung übernahmen neben dem Posaunenchor Hambach-Winzingen unter der Leitung von Traugott Baur die Neustadter Stiftskantorei mit Bezirkskantor Simon Reichert, an der Orgel begleitet von Gero Kaleschke. Auf der Kanzel predigte diesmal ein Druckermeister. Der Neustadter Pfarrer Michael Landgraf verfasste nicht nur einen ausführlichen Roman unter dem Titel „Der Protestant“ über die Anfänge der Reformation, sondern verkörpert als Religionspädagoge auch im Rollenspiel historische Gestalten. Im Reformationsjahr schlüpfte er zu vielen Anlässen in das Kostüm eines Druckers jener Zeit. So erzählte der Meister von sechs Persönlichkeiten aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die in enger Beziehung zur Reformation standen. Landgraf klärte auf, dass Johannes Gutenberg seine beweglichen Lettern schon in Straßburg erfunden hatte. Auf dem Weg zurück nach Mainz könnte er von den Traubenpressen in der Pfalz inspiriert worden sein, seine endgültige Version der Druckerpresse zu gestalten. Dabei sei ein Drucker in der damaligen Zeit auch schnell in die Nähe der Ketzerei geraten, sollte er eine der Obrigkeit nicht genehme Version der Bibel gedruckt haben. Besonders viel wusste Landgraf natürlich über den Reformator Martin Luther vorzutragen. Dieser habe seine Bibelübersetzungen ständig verbessert, denn er habe dem Volk aufs Maul geschaut, um die Sprache des Volkes für die Bibel zu verwenden. Doch mit den 95 Thesen wissen sogar die heutigen Theologen auf Anhieb wenig anzufangen, wie eine spontane Frage Landgrafs in die von vielen Pfarrern besetzten Kirchenbänke ergab. „Das ist verständlich, denn diese Thesen waren theologisches Trockenfutter. Sie entstanden schließlich aus dem Streitgespräch zwischen Luther und dem Bischof Albrecht von Brandenburg.“ Im Anschluss an den Gottesdienst wurde im Martin-Luther-Haus noch weiter gefeiert. Schließlich wurde am Nachmittag am Kirchturm das Transparent „Kirche am Weg“ eingeweiht. Neben Bratwurst, Kuchen und Kaffee gab es zu diesem Anlass auch ein „Lutherbier“.

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