Neustadt Von Rheintöchtern und russischen Hexen

Neustadt. Musik der Romantik in Form von Werken von Max Bruch, Modest Mussorgsky und Peter Tschaikowsky stand am frühen Sonntagabend bei der Rathausserenade der Neustadter Sinfoniker, des größten Liebhaberorchesters der Region, auf dem Programm. Höhepunkt war das gemeinsame Spiel mit der Violin-Solistin Jeanette Pitkevic, die auch die erste Konzertmeisterin des Orchesters ist.

Den Kopf leicht geneigt, die Augen geschlossen, wartet Pitkevica auf ihren Einsatz. Die „Schottische Fantasie“, op. 46, von Max Bruch ist ein Violinkonzert, das seinen Namen den in die Komposition eingeflossenen schottischen Volksliedthemen verdankt. Die Melodien von „Auld Rob Moris“, „Scots Wa Hae“, „The dusty miller“ und „I´m doon for Lack of Johnny“, die in unterschiedlicher Stimmung von Erinnerungen an alte Zeiten, alte Lieben, ländliche Feiern, Trauer und Krieg vor Jahrhunderten erzählen, sind da unter anderem zu vernehmen. Hier ist Pitkevica gefordert, mit ihrem klaren und gefühlvollen Violinstrich, zart vibrierend bis kraftvoll erarbeitet die Bilder aus alten Zeiten entstehen zu lassen. Sie wird dabei von den Wogen des von Dirigent Jürgen Weisser einfühlsam ausgleichend geführten Orchesters getragen und erspielt die Szenen angedeutet oder melodiös, mit Leidenschaft und Präzision. Sie verliert sich nicht in unterkühlt berechnender Technik, obwohl die eine große Rolle spielt, um die Herausforderungen der in weiten Teilen schwer zu spielenden, oft mehrstimmigen Passagen zu meistern. Unverzichtbar dazu der mystisch verklärte Harfenklang aus dem Orchester, der schon zur Eröffnung ein besonderes Flair zauberte, als er in der kurzen Ouvertüre zu Bruchs Oper „Die Loreley“ erklang. Diese Oper spielt im Mittelalter und handelt von einer dramatischen Dreiecksliebesbeziehung, die tragisch endet. Hierbei spielen Rheintöchter eine Rolle, die verführerische Fähigkeiten verleihen können. Im nachfolgenden Stück von Modest Mussorgsky dagegen haben Hexen die größte Bedeutung. Seine „Nacht auf dem kahlen Berge“ ist eine sinfonische Dichtung über das Hexentreiben in der Johannisnacht in Erwartung Satans, das erst mit den Kirchenglockenschlägen zum Sonnenaufgang ein Ende findet. Entsprechend vehement geht es musikalisch zu, aufbrandende Streicher und Bläser im brausenden Duell gegen- und im Spiel miteinander bis zur Synthese im lieblichen Holzbläser- und Harfenklang zur Glocke. Klassisch und auch bei Ballett-freunden sehr geschätzt geht es weiter mit Peter Tschaikowskys „Schwanensee-Suite“, einer Zusammenfassung eingängiger, instrumentaler Stücke aus dem Ballett. Dass sie sich hierauf als erste Orchestergeigerin besonders freue, liege daran, dass sich mitspielende Musiker aus dem Partnerorchester „Lincoln Symphonie Orchestra“ bei der Auswahl eingebracht hätten, hatte Pitkevica im Vorgespräch erzählt. Die Musikfreunde steigen „pizzicato“ ein und gewähren auch Triangel, Tamburin und Cello ihre großen Auftritte. Das Orchester liefert eine stimmige musikalische Leistung ab. Abgesehen von den viertelstündlichen störenden Unterbrechungen wegen des Glockengeläuts der umliegenden Kirchen ist die Veranstaltung ein Hörgenuss. Zwar blicken viele Orchestermitglieder mittlerweile auf eine beachtliche Zahl von Musiker-Jahren zurück. Doch auch ganz junge Ensemblemitglieder haben ihren Platz im Laienorchester gefunden. Nach dem letzten Glockenschlag um 20 Uhr stimmen die Künstler ihre Schlussklänge an. Ein letztes Mal „Schwanensee“ mit dem neapolitanischen Tanz, während die Tauben gurren und Mauersegler über den Rathauszinnen ihre Runden drehen, und wohlverdienter, lang anhaltender Applaus belohnt Musiker und Dirigenten. (aew)

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