Neustadt Warum Lohnsteuerhilfevereine so gefragt sind
Das Hambacher Schloss ist die Geburtsstätte des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe (VLH). Ernst August Strötzel gründete die VLH im September 1972 in der Burgschänke. Seine Idee: Arbeitnehmer sollten sich „zu einem bezahlbaren Preis steuerlich beraten lassen“. Heute, rund 50 Jahre später, hat sich eines nicht geändert: Mit Jörg Strötzel steht weiterhin ein Spross der Gründerfamilie an der VLH-Spitze. Sitz ist unverändert Neustadt.
Doch das Gesamtgebilde ist in den 50 Jahren enorm gewachsen. So sind in der Hauptverwaltung rund 150 Mitarbeiter tätig. Aktuell zählt die VLH 1,2 Millionen Mitglieder und ist eigenen Angaben zufolge damit der mitgliederstärkste Lohnsteuerhilfeverein Deutschlands.
Über 3000 Beratungsstellen
Solche Vereine dürfen in Deutschland seit 1964 gegründet werden. Ihr Grundprinzip: Mitglieder zahlen einen am Einkommen orientierten Beitrag und bekommen dafür Beratungen, und für sie wird die jährliche Steuererklärung erstellt. Laut VLH liegt der jährliche Durchschnittsbeitrag ihrer Mitglieder bei 170 Euro. Und die jährliche Rückerstattung wird mit durchschnittlich 1300 Euro angegeben. Hauptunterschied zwischen den Lohnsteuervereinen und Steuerberatern ist, dass sich die Vereine ausschließlich um nichtselbstständige Steuerpflichtige kümmern. Möglich sei die Beratung vor allem dank der über 3000 Beratungsstellen in ganz Deutschland, informiert die VLH-Pressestelle.
Einer der dort tätigen Berater ist Moritz Altmayer. Sein Büro ist in der Exterstraße in der Neustadter Innenstadt zu finden. Er ist einer von zwei Beratungsstellenleitern in Neustadt. Gemeinsam mit den Angestellten sind sie die Ansprechpartner für Lohnsteuerfragen von Mitgliedern in und um Neustadt. „Der Andrang ist schon groß“, sagt Altmayer. Man könne die Mitglieder jedoch nicht in eine Schublade stecken: „Zu uns kommen Studenten ebenso wie Rentner und junge Paare.“ Eine allgemeine Beschreibung sei nur so möglich, so Altmayer: „Zu uns kommen Menschen, die keine Lust mehr auf die Steuererklärung haben oder denen diese Aufgabe einfach zu viel ist.“ Sein Job sei es, diese Menschen an die Hand zu nehmen und das „Fachdeutsch aus dem Steuerrecht dann in allgemeines Deutsch zu übersetzen“.
„Ein kreativer Beruf“
Altmayer ist Steuerfachangestellter und besucht regelmäßig Weiterbildungen der VLH. Das sei nötig, da sich sehr häufig Gesetze oder Bestimmungen ändern. Ist es nicht schräg, sein Geld mit etwas zu verdienen, das andere abschreckt? Altmayer lacht bei der Frage: „Ich finde den Job faszinierend, denn Steuern sind niemals gleich. Es ist ein kreativer Beruf, auch wenn es nicht so wirkt.“ So gestalte sich auch die Arbeit mit den Mitgliedern. Wer Interesse habe, bekomme erst einmal ein Beratungsgespräch und könne danach über die Mitgliedschaft entscheiden. Mit den Mitgliedern werde dann erarbeitet, was alles in der Steuererklärung angegeben werden kann und welche Belege dafür nötig sind. Dabei sei für ihn als Experten „viel möglich“ – Altmayer beschreibt es so: „Es geht um das Rauskitzeln von Informationen und Potenzialen.“ Denn wer daheim seine Steuererklärung selbst ausfülle, übersehe vielleicht, dass bei manchen Themen „steuerliche Sachverhalte drinstecken“. Mehr will Altmayer, der sich als Regionalleiter sich auch um andere Beratungsstellen kümmert, mit einem augenzwinkernden Verweis auf sein Berufsgeheimnis aber nicht an Tipps und Tricks verraten.
Neues Thema: PV-Anlagen
Die VLH profitiere eben, dass für viele Bürger die Steuererklärung „ein Graus“ sei. Daher haben diese die Wahl „zwischen mehreren Stunden schlechte Laune“ oder einem Beitrag für Steuerhilfeverein oder Steuerberater. „Und da viele Menschen zu dem Schluss kommen, dass ihnen der Faktor Zeit mehr wert ist als das Geld für Honorar oder Mitgliedschaft, haben wir eben großen Zulauf“, so Altmayer. Rund um die Beratungen sei sein Job, die Mitglieder so an die Hand zu nehmen, „dass diese Belege und Dokumente so aufbewahren, dass wir damit arbeiten können“. Im Idealfall gebe jemand alles in der Exterstraße ab, „wir machen den Rest, und mehr hat dieser Mensch dann mit der Steuererklärung nicht mehr zu tun“.
Aufgrund des Zulaufs sei die VLH immer auf der Suche nach Beratern und Steuerfachleuten. Und bei aller Begeisterung fürs Thema Steuern, einmal schüttelt Altmayer doch kräftig mit dem Kopf und lacht dabei, denn die Grundsteuer, die viele seit Monaten ärgert und beschäftigt, „hat uns zum Glück nicht gefordert“. Dafür werde das Thema Photovoltaikanlagen immer wichtiger, da viele Bürger Module auf ihre Dächer montieren lassen: „Die dürfen wir betreuen, wenn sie weniger als 30 Kilowatt-Peak haben.“ Das Beispiel zeige: „Es gibt jedes Jahr neue Besonderheiten.“