Stadtleben Wem gehört der ausgebüxte Vogel in Hambach?

Der Zitronenbaum im Garten der Familie Kohl.
Der Zitronenbaum im Garten der Familie Kohl.

Als eine Anwohnerin im unteren Römerweg von einem Ausflug nach Hause zurückkehrte, stutzte sie: „Da sitzt ein Papagei bei uns im Vorgarten.“ Der saß nicht nur auf einem Baum, sondern flog auch gleich – wie zur Begrüßung – auf die Schulter. Ein ausgebüxter Papagei in Hambach? Was tun? Als erstes schnell einmal in der Nachbarschaft herumfragen. Doch dort vermisste niemand einen Papagei. Aber der gefiederte Ausreißer wurde sofort fachmännisch inspiziert. Die Familie von Gegenüber meinte: „Das ist ein Nymphensittich.“ Die gelten als freundlich und gutmütig. Und als intelligent. Doch „Lulu“ – so nannte man im Römerweg kurzum den plötzlichen Mitbewohner – wusste ganz offensichtlich nicht, wo er herkam.

Wie der Anwohnerin im Römerweg erging es vor 90 Jahren dem Neustadter Bankier und Mitbegründer des Pfälzerwald-Vereins Heinrich Kohl (1872-1936). An einem Maitag erspähte er im Garten seiner Villa am Haardter Treppenweg einen Papagei, der auf dem prächtigen Zitronenbaum saß. Der „Pfälzische Kurier“ vermeldete die ungewöhnliche Begegnung und schrieb pfalzbegeistert: „Was fehlt da noch zum südländischen Naturbild?“ Einen Tag später erschien eine Frau aus Bad Dürkheim mit einem leeren Papageienkäfig in der Neustadter Redaktion der Zeitung und fragte nach dem Gartenbesitzer am Haardter Treppenweg. Der Frau war nämlich ihr Papagei gerade entflogen. Doch es stellte sich heraus, dass der Vogel auf dem Zitronenbaum nicht ihrer war.

Familie sucht Besitzer

Überliefert ist das alles, weil der – über den Vorfall wohl amüsierte – Heinrich Kohl das Geschehen in einer Kladde feinsäuberlich festgehalten hat. Der „Pfälzer Kurier“ hatte für den exotischen Zaungast damals eine eigene, sehr erstaunliche Erklärung: Vor dem Ersten Weltkrieg habe der Deidesheimer Weingutbesitzer Bassermann in der Pfalz rund hundert Papageien aussetzen lassen, „von denen man bisher nichts mehr gehört hat“. Als die Bad Dürkheimerin dies las, empörte sie sich in einem Brief an die Redaktion über „solch irreführende Nachrichten“. Und fügte anschließend fast trotzig hinzu: „Wenn dann jemand meinen Papagei findet, so behält er ihn eben als Beute.“

Genau das wollen die Anwohner im Römerweg, wo „Lulu“ vorübergehend in einem Käfig Unterschlupf gefunden hat, aber auf keinen Fall: Sie suchen immer noch nach dem eigentlichen Besitzer des Nymphensittichs. Hinweisgeber können sich unter Telefon 06321 8785818 melden. Damit „Lulu“ endlich wieder seinen richtigen Namen hört – und auf die richtige Schulter fliegen kann.

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