Neustadt „Wir sind bunt“

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Sven Woidy ist wohl so ziemlich genau das, was man eine Rampensau nennt. „Er ist völlig unberechenbar, man weiß nie, ob er nicht gleich auf den Tisch steigt“, berichtet Daniel Kammel und lächelt. Es wurde also spannend, denn gestern teilte sich Woidy von den Fröhlichen Zechern Ruppertsberg den Job des Sitzungspräsidenten mit Daniel Kammel vom HCV. Ein behinderter und ein nichtbehinderter Sitzungspräsident: Am Sonntagnachmittag ging die erste Inklusionssitzung für den Bezirk Vorderpfalz der Vereinigung badisch-pfälzischer Karnevalsvereine im Hannah-Arendt-Gymnasium (HAG) über die Bühne. In der Region gibt es laut Kammel nur noch in Karlsruhe eine Inklusionssitzung. Nach dem Start im vorigen Jahr in dieser Kampagne nun die zweite. Zwar hat Woidy zur Unterstützung bei der Moderation seinen Kumpel Kevin Weckes an seiner Seite und kann seine Texte auf ein paar gelben Notizzetteln nachlesen. Aber insgesamt gesehen ist es eigentlich gar nicht so anders, wenn behinderte und nichtbehinderte Menschen zusammen eine Fastnachtssitzung gestalten. „Wir sind ein Superduo“, zeigt sich Daniel Kammel denn auch überzeugt. Dass die beiden Fastnachter gut miteinander harmonieren, habe sich bei den Vorbereitungstreffen zur Genüge herausgestellt. Da ist zum Beispiel auch die achtjährige Milena, die seit ihrer Geburt im Rollstuhl sitzt und die schon seit fünf Jahren bei den „Wölkchen“ vom Herxemer Wind mit dabei ist. „Sie ist mit dem Rollstuhl nicht so ganz im Rhythmus, aber sie macht eben ihr eigenes Ding“, erzählt Milenas Mutter Yvonne Trauth bei den Vorbereitungen für den Auftritt hinter der Bühne: „Milena hat halt ihren eigenen Kopf.“ Auf die Frage, ob sie die Idee mit der Inklusionssitzung denn gut findet, nickt sie nur, fragt, an ihre Mutter gewandt: „Kann ich jetzt abhauen?“ Und schon ist sie mit ihren Freundinnen von der Tanzgruppe verschwunden. „Wir sind bunt“, so lautet denn auch das Motto der Inklusionssitzung. Die Idee dazu hatte Melanie Klein, Präsidentin des Donnersberger Carnevalvereins und Jugendbeauftragte des Bezirks Vorderpfalz. Der HCV-Jugendbeauftragte Jürgen Schomodji hat durch seinen Beruf als Mitarbeiter bei der Lebenshilfe Neustadt Erfahrungen im Umgang mit behinderten Menschen. Beim Einkaufen im Supermarkt gebe es immer noch Leute, die Behindertengruppen nachglotzten, schüttelt Schomodji den Kopf. Und so sei es nach wie vor sehr wichtig, Zeichen für eine Gesellschaft zu setzen, in der alle Menschen, ob mit Handicap oder nicht, harmonisch zusammenlebten. Zum Beispiel auch mit Integrationshelfern in den Schulen. Bei den Vereinen werde Integration oft schon selbstverständlich gelebt, ergänzt Melanie Klein. „Viele Vereine haben einen behinderten Menschen in ihren Reihen.“ Die Mitwirkenden wurden laut Klein denn auch per Mundprogaganda gefunden. In der Aula des HAG wuseln überall Menschen in roten T-Shirts herum. Es sind die Helfer vom HCV. Die Frau, auf deren rotem T-Shirt in Glitzerbuchstaben der Name Ulrike prangt, zeigt sich von dem Engagement ihrer Vereinsgenossen begeistert. „Das ist ganz toll, die Inklusionssitzung ist eine super Idee.“ Eine Idee, die laut den Organisatoren im kommenden Jahr fortgeführt werden soll. Vielleicht in Haßloch, vielleicht anderswo in der Vorderpfalz. Im dreistündigen Programms traten unter anderem die Theatergruppe und die Band „Puzzle“ von der Lebenshilfe Neustadt auf, Sketche und Musik brachte die „Bethesda“ aus Landau, einen Showtanz zeigte das Ballett „Handicap“ von den Zoar-Werkstätten Alzey, ein Mädchen mit Down-Syndrom wirkte bei der Showtanzgruppe der Aktiven vom Karneval-Verein Limburgerhof mit, Kia Klein und Marcel Schreiber vom Donnersberger Carnevalverein traten als Büttenredner auf. Außerdem bereicherten die „Wasserhinkle“ aus Altrip, die Stadtgarde Ludwigshafen, die Showtanzgruppe aus Godramstein, die Guggenmusik aus Rülzheim und Tanzmariechen verschiedener Vereine und vom HCV das Programm. Und Sven Woidy ließ es sich nicht nehmen, mit einer Playback-Show zu unterhalten.

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