Neustadt Zuneigung, Witz und Menschlichkeit

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Neustadt. Selbst wer noch nie den Namen Erich Ohser gehört hat, kennt vermutlich seine berühmteste Schöpfung, die bis heute populären Bildergeschichten um „Vater und Sohn“, die er 1934-37 unter dem Pseudonym e.o.plauen in der „Berliner Illustrirten Zeitung“ veröffentlichte. Eberhard Dittus von der Neustadter Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus erinnert jetzt mit einer kleinen Ausstellung in der Stiftskirche an den Zeichner, der sich 1944 nach der Verhaftung durch die Nazis das Leben nahm.

Die Schau setzt sich aus einigen Tafeln zu Leben und Werk Ohsers zusammen, die das Erich-Ohser-Museum in seiner Heimatstadt Plauen zur Verfügung gestellt hat, und zeigt darüber hinaus einige der 157 liebenswerten Geschichten um den rundlichen, kahlköpfigen, schnauzbärtigen Vater und seinen verstrubbelten Sohn, die Ohsers Ruhm begründeten. Auch einige der politischen Karikaturen, die er nach Abschluss seines Leipziger Grafikstudiums 1927 unter anderem im SPD-Organ „Vorwärts“ veröffentlichte, sind zu sehen. Sie brachten dem Zeichner nach der Machtergreifung der Nazis 1933 ein faktisches Berufsverbot ein. Die Serie „Vater und Sohn“ konnte er nur mit einer Ausnahmegenehmigung des Propagandaministeriums veröffentlichen, die ihm jede politische Äußerung strikt verbot und ihm die Benutzung eines Pseudonyms auferlegte. Von der begeisterten Aufnahme, die die Serie schon bald beim Publikum erfuhr, wollten dann aber auch die Nazis profitieren. Dass die in der Regel vier- bis achtteiligen Cartoons mit ihrer Ironie, ihrer Menschlichkeit und der trotz gelegentlicher Schläge doch sehr liebevollen Beziehung zwischen Vater und Sohn im Grunde gar nicht ins martialische Welt- und Menschenbild der braunen Machthaber passten, wurde geflissentlich übersehen. Ohser, seit 1931 selbst Vater eines Sohnes, ließ dabei viele eigene Erfahrungen einfließen. Wohl um der Vereinnahmung durch die Nazis zu entgehen, beendete er die Serie dann aber 1937 auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs. Sie brachte dem Zeichner mittelfristig trotzdem die Rehabilitierung bei den Nazis ein, für die er 1940-44 als Karikaturist für die von Goebbels protegierte Zeitung „Das Reich“ tätig war und in recht aggressiver Weise die deutschen Kriegsgegner aufs Korn nahm. Dass dies wohl nur Fassade war, zeigte sich später: 1944 wurde Ohser denunziert und wegen „Wehrkraftzersetzung“ angeklagt. Dem Prozess vor dem Volksgerichtshof und dem fast zwangsläufigen Todesurteil entzog er sich, erst 41 Jahre alt, durch Freitod. Auf einer Stellwand zeigt die Ausstellung außerdem einige Originale des Düsseldorfer Zeichners Ulf K., der 2015 zusammen mit Marc Lizano im Panini-Verlag ein Buch mit „Neuen Geschichten von Vater und Sohn“ veröffentlicht hat. Diese transferieren ihre Protagonisten geschickt in die Jetztzeit, wo sie unter anderem mit Computer, Videorekorder und Spielekonsole konfrontiert sind, bewahren aber den Charme des Originals. Die Ausstellung Die Ausstellung „Erich Ohser alias e.o.plauen: Vater & Sohn und politische Zeichnungen“ wird heute, Mittwoch, nach der Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus um 19 Uhr in der Neustadter Stiftskirche eröffnet und läuft bis 8. Februar. Öffnungszeiten: täglich 11–15 Uhr. Zusätzliche Öffnungszeiten für Schulklassen, Anmeldung unter 0172-7474419. Der Zeichner Ulf K. stellt sein Buch am Donnerstag, 4. Februar, um 19.30 Uhr im Casimirianum vor. (hpö)

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