Neustadt Zwei Gitarren, zwei Geschichten

Lässig unterwegs: Nosie Katzmann (links) und Stefan Kahne in der Villa Böhm.
Lässig unterwegs: Nosie Katzmann (links) und Stefan Kahne in der Villa Böhm.

«Neustadt.» Treppenhauskonzert in der Villa Böhm – das ist ein bisschen wie eine private Party mit mehr Gästen als Stühlen, weshalb die Gäste mit ihren Weingläsern überall sitzen oder dicht gedrängt stehen, wo Platz ist: sehr unkompliziert, wenn auch nicht immer bequem. Mittendrin auf sehr kleinem Podium auf dem höchsten Treppenabsatz die Musik: Nosie Katzmann und Stefan Kahne, zwei Gitarren und eine raue Singstimme, die von Katzmann.

Auch dies sehr lässig, pur, gerade mit so viel Tontechnik, dass man sie überall gut hören kann, ansonsten keinerlei Spielereien. Was Nosie Katzmann betrifft, hatte der mal einen ganz anderen Stil: Er gehörte zu den gefragtesten Songschreibern und Produzenten der 1990er Jahre, hatte über 40 Hits – allerdings sangen die andere, Culture Beat etwa oder Captain Hollywood Project. Sein Metier war das, was man als Eurodance oder Dancefloor bezeichnete: Synthetisch hergestellte Musik mit einem stark pumpenden, gleichförmigen Beat und einer weiblichen Singstimme – so richtig was zum nächtelangen schweißtreibenden Abtanzen. Mit den Texten setzte sich da keiner der Konsumenten auseinander. Nun also eine Musik, die sich an amerikanischem Folkrock, Countryrock orientiert und ihre Vorbilder häufig in den 1970er Jahren findet, die Namen James Taylor, Neil Young fallen an dem Abend. Entspanntheit, Improvisation, bewusste Ungeplantheit in dem Sinne, dass nichts von vornherein festgelegt sein muss, so in etwa waren die Prinzipien des Abends. „Unser Plan ist, dass wir keinen haben“, sagte Katzmann zur Einleitung und, zu Kahne gewandt, „er weiß noch nicht, womit wir anfangen, da muss er jetzt durch“. So ganz ungeplant kann es dann doch nicht gewesen sein, denn sie wussten doch ganz gut, was zu tun und zu spielen war. Katzmann erzählte sehr amüsant seine musikalische Biografie: „Es gab vier Schallplatten, Singles, bei uns zu Hause, neben Peter Kraus und Ted Herold der Folsom Prison Blues von Johnny Cash, der haute mich um“. Den sang er dann. Es muss aber auch Creedence Clearwater Revival gegeben haben, denn „Suzie Q“ war der erste Titel des Abends. Weiter ging es mit den Erlebnissen der Jugendzeit: „Mein Musiklehrer erklärte, ich sei völlig unbegabt, aber bei einer Schulfreizeit stellte sich heraus: Bei dem Jungen mit der Gitarre saßen immer alle Mädchen im Zimmer. Das wollte ich auch, lieh sie mir aus und versuchte zu Hause, ihr Töne zu entlocken – bis mein Vater sie aus dem Fenster schmiss, weil er es nicht mehr aushielt“. Er hat es dann doch noch gelernt. Die Geschichte seiner bekanntesten Hits erzählte er auch – meist war die Inspiration eher frustrierender Natur, Krach mit der Freundin, erfolgloser Anbaggerversuch, daraus konnte dann „Mr. Vain“ werden, der Hit, der seine Karriere richtig international werden ließ. Gesungen als Folkrock zu den zwei Gitarren, bekam der einen ganz anderen, und keinen schlechteren Charakter. Sein Licht stellt er keineswegs unter den Scheffel, wenn er etwa erzählt, dass Leute wie Neil Young in aller Munde waren mit gerade mal zwei Hits in den deutschen Charts, und er über 40 hatte, ihn kaum jemand kannte. Ein bisschen Dance-Floor-Erinnerung kam manchmal auch bei den Zuhörern hoch, wenn sie die Beine nicht mehr still halten konnten oder einen bereitwilligen Background-Chor für den Refrain bildeten. Stefan Kahne wiederum sagte nicht viel und spielte umso mehr – immer wieder belebten seine reizvollen Improvisations-Einlagen die Songs. Auch seine musikalischen Helden sind in den 1970ern zu Hause und damit wesentlich älter als er selbst. Er sei ein Rockabilly-Fan, meinte er. So balancierte der Abend äußerst unterhaltsam zwischen den guten alten Folkrockklassikern („unsere Messlatte“) und Katzmann-Songs, die aufregend neu „auf alt“ präsentiert wurden.

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