US-Tagebuch Zwischen Konsum und Spaltung: Fragen zur US-Gesellschaft

Lina Miszori mit ihrer neuen Gastfamilie: vorne die Eltern Edward und Lisa, hinten (von links) Lina und ihre Gastschwestern Naom
Lina Miszori mit ihrer neuen Gastfamilie: vorne die Eltern Edward und Lisa, hinten (von links) Lina und ihre Gastschwestern Naomi und Grace.

Diedesfelderin Lina Miszori bemerkt gesellschaftliche Unterschiede in den Vereinigten Staaten, die sie nachdenklich machen.

Im Januar haben wir alle einen Marathon an Feiertagen hinter uns. Die Zeit bereitete Freude – und einigen auch Trauer–, war aber in jedem Fall ziemlich stressig. Bei mir, weil der Albtraum jedes Gastschülers wahr geworden ist: Ich habe meine Gastfamilie gewechselt und bin an Heiligabend umgezogen. Das mag für einige überraschend kommen, jedoch habe ich einen fordernden Prozess hinter mir. Von der Entscheidung über Gespräche bis hin zur Angst, niemanden zu finden, der mich aufnimmt. Umso glücklicher bin ich, dass meine neue Familie mich herzlich empfangen hat.

Zusammen mit meinen Gastschwestern Naomi und Grace habe ich sehr amerikanische Feiertage erlebt. Die Bescherung ist in den USA zum Beispiel erst am Morgen des 25. Dezember. Dazu kommen sehr intensiv dekorierte Häuser und ganz viel Konsum. Da es keine Stadtmitte mit Geschäften gibt, war zu sehen, wie das Stresslevel der Paketboten drastisch anstieg. Die Parkplätze vor den Shopping Malls waren im letzten Monat auch voll. Ich kann verstehen, dass es gemütlicher ist, mit dem Auto vor einen großen Supermarkt zu fahren. Jedoch vermisse ich unsere deutschen Innenstädte mit Cafés und Bäckereien. Wie viel ist es uns wert, gemütlich mit einem Eis in der Hand in der Stadt zu bummeln? Schließlich beeinflussen unsere Kaufentscheidungen das Angebot.

Schere zwischen Arm und Reich

Natürlich hat nicht jeder die Vorweihnachtszeit mit Einkaufen verbracht. Es gibt viele Menschen, die sich diesen Konsum nicht leisten können. Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist in den USA extrem groß. Besonders in der Weihnachtszeit kann ich das spüren. Es fehlt die Mitte zwischen „Wir fliegen nach Florida und ich habe ,nur’ 1000 Dollar zu Weihnachten bekommen“ und den Mitschülern, die gar keine Geschenke unterm Weihnachtsbaum hatten. Es ist kein Problem, das sich einfach lösen lässt. Denn nicht jeder in den Staaten sieht die gespaltene Gesellschaft überhaupt als ein Problem an.

Umso spannender ist der Blickwinkel, den die Politik auf das Thema hat. Ich hatte die Chance, Jen Kiggans, einer Abgeordneten im US-Kongress, genau dazu Fragen zu stellen. Ich habe das Gespräch genossen, bei dem sie mir zum Beispiel erklärte, dass sie in ihrer Arbeitszeit zwischen Abstimmungen in Washington und der Vertretung ihres Wahlkreises vor Ort wechselt. Doch immer wenn ich versucht habe, die Konversation auf umstrittene Themen zu lenken, reagierte sie mit sehr verhaltenen Antworten.

Fake News im Fernsehen

Das Gespräch hat mir noch mal verdeutlicht, unter wie viel Druck Politiker in den USA stehen. Dazu beeinflussen Medien die verhärtete Fronten. Es hat mich geschockt, von Frau Kiggans zu hören, dass irgendwelche Leute Werbung mit Falschbehauptungen über sie im Fernsehen übertragen. Ich weiß nicht, wie gut ich meinen Beruf ausführen könnte, wenn ich mit der Angst aufwachen müsste, totale Lügen über mich im Fernsehen zu sehen.

Nach etwa einer Stunde mit der Abgeordneten hatte ich zwar nicht mehr Antworten, jedoch definitiv eine neue Perspektive. Medien haben Macht. Deutsche Medien und Politik sind in diesem Aspekt wohl seriöser als die hiesigen. Jedoch möchte ich jeden dazu ermutigen, genau auf die Quellen zu schauen, die wir benutzen. Gerade in den sozialen Medien ist es der Job von Menschen, uns zu beeinflussen. Es ist wichtig, Inhalte zu hinterfragen und uns selbst dazu zu ermutigen, unser Weltbild zu erweitern.

Die Autorin

Lina Miszori (17) ist Schülerin des Leibniz-Gymnasiums und lebt als Stipendiatin des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms des Deutschen Bundestags für ein Jahr in den USA. Einmal im Monat berichtet die Juniorbotschafterin aus Diedesfeld über ihre Erlebnisse.

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