Pirmasens 100 Jahre Caritas-Zentrum: Pionierarbeit in vielen sozialen Bereichen

Der erste Sitz des Caritas-Zentrums in der Klosterstraße 7. Das Bild stammt aus den 20er Jahren.
Der erste Sitz des Caritas-Zentrums in der Klosterstraße 7. Das Bild stammt aus den 20er Jahren.

Das Caritas-Zentrum ist schon lange eine feste Säule des Sozialwesens in Pirmasens. Die Einrichtung hat gerade ihren 100. Geburtstag gefeiert. Doch wie hat es angefangen und welche Herausforderungen mussten Einrichtung und Stadt meistern?

Als Anfang 1924 die katholische Pfarrei St. Pirmin unter Stadtpfarrer Jakob Weis – ein Verwandter des berühmten Speyerer Bischofs Nikolaus von Weis – beschloss, einen eigenen Caritasverband in Pirmasens zu gründen, war der Erste Weltkrieg erst wenige Jahre vorbei. Viele Vereine widmeten sich der Versorgung von Kriegsversehrten. Hinzu kam die gerade erst überwundene Hyperinflation, die niedrigen Löhne in der Schuhindustrie und eine saisonal extrem schwankende Arbeitslosigkeit.

Unmittelbar nach dem Ende der Pirmasenser Separatistenzeit wurde der Caritasverband am 16. März 1924 im Vereinsregister eingetragen. Erster Sitz war das katholische Pfarramt in der Klosterstraße 7. Vor der Professionalisierung des Berufsfeldes Soziale Arbeit wurden die Aufgaben der Caritas komplett von Ehrenamtlichen aus der Pfarrgemeinde erbracht. Ziel des neu gegründeten Verbands war die Bündelung der ehrenamtlichen Hilfsarbeit und die Gründung einer Anlaufstelle für Hilfesuchende, das „Caritas-Sekretariat“ als Vorläufer des heutigen Caritas-Zentrums.

Vorbehaltlose Unterstützung der Nazis

Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre war die Einrichtung umso mehr gefordert: Im Jahr 1930 legte sie im Pfälzischen Volksboten Bericht ab über ihre finanzielle Unterstützung sowie Lebensmittel- und Kleiderspenden für 5000 Arbeitslose in der Stadt – bei damals 45.000 Einwohnern. Ein weiterer Schwerpunkt war die Kinder- und Jugendfürsorge mit der Betreuung von 475 Mündeln und der Übernahme von neun Vormundschaften. Daneben organisierte man Erholungsurlaub für Kinder und betrieb eine Sterbekasse.

Caritasverbände durften ihre Arbeit auch nach 1933 als einzige noch selbstständige Hilfsorganisationen fortführen. Preis dafür war, dass sich die Dachorganisation Deutscher Caritasverband vorbehaltlos an die Seite des nationalsozialistischen Staates stellte.

Fokus verlagert sich

Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Fliegerbomben die Klosterstraße 7, die danach vereinfacht wiederaufgebaut wurde. Noch bis in die 50er Jahre herrschte teilweise bittere Armut. Zunächst musste die Caritas den Menschen mit Lebensmitteln und Kohle zum Heizen beim bloßen Überleben helfen. Sehr profitierte man in dieser Zeit von Spenden aus dem Ausland. In den 1960ern bezog die Caritas größere Räumlichkeiten an der Adresse Am Wasserturm 13 auf der Husterhöhe. Der Fokus der Sozialen Arbeit verlagerte sich zunehmend von der reinen Fürsorge hin zur Förderung der Selbstständigkeit im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe, wozu auch Unterstützung im Umgang mit Ämtern zählt.

Unter dem Geschäftsführer Alfons Peifer bestand das Caritas-Sekretariat jahrzehntelang aus allgemeiner Sozial- und Lebensberatung, einer der ersten Schwangerenberatungen in der Pfalz sowie der Mündelbetreuung, die nirgendwo in der Region eine so große Rolle wie in Pirmasens spielte. Dabei wurden Kinder wie auch Erwachsene mit kognitiven Einschränkungen durch großen persönlichen Einsatz der Mitarbeiter rechtlich und im Alltag betreut. Für die Bedarfe der Kinder entwickelte die Pfarrei ein eigenes Hilfsangebot mit der von Prälat Heinrich Kimmle gegründeten Stiftung, die anfangs als Caritas-Kinderhilfe Örtlichkeiten am Wasserturm neben dem Sekretariat bezog. Heute ist dies die Heinrich-Kimmle-Stiftung.

Strukturreformen und Übernahmen

Andere zunächst selbstständige Hilfsangebote unter Caritas-Trägerschaft entstanden mit Erziehungsberatung Ende der 1970er Jahre und dem Kinderschutzdienst 1992. In der Zwischenzeit war man 1986 vom Wasserturm zurück an den Horeb gezogen, wo der Caritasverband gleich neben seinem ersten Sitz das ehemalige katholische Vereinshaus in der Klosterstraße 9 bezog.

Die Immobilie der katholischen Kirche in der Klosterstraße heute. Das Caritas-Zentrum befindet sich mittlerweile im Rheinberger.
Die Immobilie der katholischen Kirche in der Klosterstraße heute. Das Caritas-Zentrum befindet sich mittlerweile im Rheinberger.

Nach Alfons Peifer war Ingo Christmann über zwei Jahrzehnte Geschäftsführer. In seiner Amtszeit mussten die sozialen Härten des Niedergangs der Schuhindustrie bewältigt werden. Herausfordernd waren auch interne Strukturreformen des Caritasverbandes. 2007 übernahm man das Caritas-Zentrum in Zweibrücken, 2010 wurden alle Caritas-Beratungsangebote wie Erziehungsberatung und Kinderschutzdienst unter dem Dach des Caritas-Zentrums zusammengefasst. Im Jahr 2019 zog das Zentrum unter der Leiterin Annette Martin schließlich aus der Klosterstraße in die heutigen Räume im Rheinberger.

Mediensüchtige nehmen zu

Zusätzlich betreibt das Zentrum den Quartierstreff auf dem Horeb sowie Außenstellen in Zweibrücken und Dahn. Als Reaktion auf die in Pirmasens gehäuften Schwangerschaften Minderjähriger, entwickelten Schwangerenberatung und Kinderschutzdienst das sehr erfolgreiche und durch Spenden finanzierte Programm „Mama Mia“ zur Förderung junger Mütter in der Stadt. Daneben vermittelt seit Langem die Migrationsberatung Perspektiven für Migranten: zum Ankommen, zur Integration sowie auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. In den vergangenen Jahren ist das Zentrum, etwa in der Erziehungsberatung, immer mehr mit Jugendlichen mit Mediensucht konfrontiert, ein durch Corona und Lockdowns noch verstärkter Trend.

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