Pirmasens Alten Schinken packend inszeniert

Mit dem „Literatur- und Lebens-Denkmal“ (Thomas Mann) des „Simplicissimus“ gastierte das Chawwerusch-Theater aus Herxheim am Samstag bei den „Gräfensteiner Theaterspielen“ vor rund 120 Zuschauern in der Halle der Rodalber Mozartschule. Dank der zeitgemäßen und dabei auch ein wenig pfälzisch angehauchten Inszenierung tauchte der schon angestaubte barocke Held wieder quicklebendig auf der Bühne auf. Das Publikum erlebte eine packende Aufführung.

In typischer Chawwerusch-Manier genügte dem Ensemble ein schlichtes, aber zweckmäßiges Bühnenbild. Vor der skizzierten Landschaft auf einem gespannten Tuch stand auf der einen Bühnenseite ein Matratzen-Lager als Metapher für eine Bleibe, auf der anderen Seite füllte ein hohes Holzgebilde den Platz, variabel eingesetzt als Turm, Versteck oder Baum. Rollen gab es viele, jedoch mit Felix S. Felix, Thomas Kölsch und Ben Hergl nur drei Schauspieler. Das Mammutwerk – wenngleich gestrafft – in dieser Minimalbesetzung aufzuführen, gelang dem Ensemble mit einem genialen Schachzug. Alle drei spielten den Simplicissimus, mitunter im fliegenden Wechsel, was Möglichkeiten erschloss, in andere Rollen zu schlüpfen: Soldaten und Bauern, Nonnen und Geliebte, Anführer und Außenseiter. Das Ensemble löste diese verzwickte Aufgabe mit Bravour. Der „Simplicissimus“ trägt zumindest im ersten Teil autobiografische Züge. Ähnlich wie der Simplicissimus verlor der Autor Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen früh seine Eltern und geriet als Jugendlicher in Kriegswirren. Grimmelshausens Held „Simplicius Simplicissimus“ muss schon als Kind vor Soldaten fliehen, die im 30-jährigen Krieg den elterlichen Bauernhof überfallen. Bei seiner Flucht gelangt er zu einem alten Eremiten, der ihn erzieht und als Richtwerte drei Regeln auf den Weg gibt: „Erkenne dich selbst. Meide böse Gesellschaft. Bleibe den Menschen ein Mensch“. Die Hauptfigur stolpert durch den rauen Krieg, gerät in Gefangenschaft bei den Kroaten und als Auskundschafter für Plünderungen unter Druck. Doch er befreit sich immer wieder von der „bösen Gesellschaft“. Allerdings erlebt die Hauptfigur auch paradiesische Zeiten (gut versorgt hinter dem Schutz von Klostermauern oder als Liebhaber orientalisch verhüllter Damen). Mit höfischer Barockliteratur hat Grimmelshausens „Der abenteuerliche Simplicissimus“ nichts zu tun. Das Werk, aus dem Chawwerusch sein Bühnenstück zum 30-jährigen Bestehen der Theatergruppe gestaltet hat, gilt gemeinhin als Kriegs-, Reise- und Schelmenroman. In der Chawwerusch-Inszenierung lockern musikalische mundartliche Einlagen die Handlung auf. Sie untermalen das Bühnenspiel und können sicherlich auch als Einladung für eine kleine schöpferische Pause verstanden werden. Und Chawwerusch erlaubt sich, ein paar derbe Späße einzustreuen (zum Beispiel, wie man möglichst geräuschlos pupst), die simple Alltagseindrücke widerspiegeln. Die Autoren um Walter Menzlaw und Michael Bauer haben den Stoff verdichtet und ins Neuhochdeutsche übertragen. „Gralshüter“ mögen über die Bearbeitung des Klassikers verärgert sein, wiewohl sie wissen, dass das wohl bedeutendste Werk des 17. Jahrhunderts ob seiner altertümlichen Sprache und Grammatik kaum noch gelesen wird. So ist es Chawwerusch als Verdienst anzurechnen, seinen Beitrag zur Wiederentdeckung des großen Romans beigetragen zu haben. Das Publikum in Rodalben fand an der Aufführung des Chawwerusch-Theaters jedenfalls sichtlich Gefallen.

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