Interview „Dank Jazz und Folk sehe ich klassische Musik mit anderen Augen“

Moritz Ebert hat bei den Professoren Florian Kitt und Julian Arp an der Kunstuniversität Graz Violoncello studiert und spielt in
Moritz Ebert hat bei den Professoren Florian Kitt und Julian Arp an der Kunstuniversität Graz Violoncello studiert und spielt in verschiedenen Kammermusikensembles.

Rock, Pop, Jazz, Klassik und Jonglage – das Pirmasenser Sommerintermezzo hat in der kulturarmen Zeit etwas Leben auf die Bühne vor der Alten Post gebracht. Mit einem musikalischen Brückenschlag von Klassik zu Jazz endet die Konzertreihe am Samstag. Wie sich diese beiden Musikstile verbinden lassen und welche Bedeutung dabei der Improvisation zukommt, hat der Cellist Moritz Ebert im Gespräch mit Christian Hanelt erklärt.

Kennen Sie Pirmasens?
Nein, tatsächlich ist das mein erstes Mal in Pirmasens. Johannes hat schon einiges erzählt darüber und ich freue mich sehr, hier mit ihm zu spielen.

Ein anderer bekannter Cellist kommt aus Pirmasens – Julian Steckel. Kennen Sie sich und wenn ja, was schätzen Sie an ihm?
Ich kenne Julian Steckel noch nicht persönlich. Natürlich ist mir aber sein Name ein Begriff. Von ihm habe ich als junger Student zum ersten Mal die ganze Kodaly-Solosonate gehört. Ich musste diese dann sofort selber spielen.

Sind Cellisten nicht eher eine rare Spezies unter den Musikern – hat das schon etwas Familiäres?
So rar finde ich Cellisten gar nicht. Da man sich aber musikalisch meistens im Orchester über den Weg läuft und ziemlich selten kammermusikalisch oder im Crossover-Bereich trifft, spielt man doch relativ selten miteinander. Das finde ich tatsächlich etwas schade.

Sie spielen Klassik- und Jazz-Improvisationen. Worin unterscheidet es sich, Klassik oder Jazz zu spielen?
In der Klassik gibt es ganz bestimmte Vorgaben, wie Kompositionen zu spielen sind. Dynamik, Tempo, Rhythmus und Töne sind ganz klar vorgegeben. Im Jazz hingegen dienen ausgeschriebene Noten und Harmonien lediglich als Orientierung. Man kann sich hier freier entscheiden, wie man die Musik gestalten möchte.

Was fasziniert Sie am gemeinsamen Improvisieren?
Beim Improvisieren mit anderen Spielern geht es um Offenheit und eine gute Balance aus Führen und Wirkenlassen der Impulse von anderen, um damit wiederum etwas zu machen. Egal, ob man frei improvisiert über einen Jazzstandard oder Folk geht es immer um das Gestalten und Verändern der Klänge, die gerade im Raum erscheinen. Gerade das macht das Improvisieren so wunderbar und lebendig.

Ich habe mit Kollegen von Ihnen gesprochen, die sagten, sie spielten keinen Jazz oder Rock, weil sie Angst um ihre Technik haben. Wie sehen Sie das? Aus was speist sich Ihr Repertoire?
Ich kann diese Angst nachvollziehen, obwohl sie für mich mittlerweile vollkommen unbegründet ist. Als ich mit 22 Jahren noch ausschließlich Klassik gespielt habe, war ich derselben Ansicht. Heute denke ich jedoch ganz anders darüber. Der Grund dafür lautet: Es gibt Klänge, die, unabhängig von welchem Stil auch immer, entweder resonanzreich oder resonanzarm sind. Resonanzreiche Klänge unterstützen die Technik – ich nenne es „Handwerk“ –, resonanzarme machen die Muskeln im Körper fest. Dank Jazz, freier Improvisation und Folkmusik habe ich begonnen, klassische Musik mit anderen Augen zu sehen. Sowohl im Jazz als auch im Folk bin ich mit verschiedenen Techniken in Kontakt gekommen, die in der Klassik gar nicht vorhanden sind. Dazu zählen zum Beispiel das Choppen und gebrochene Akkorde, wie man sie von der Gitarre kennt. Auch in der Klassik geht es mir darum, den Klang an sich zu improvisieren. Das heißt natürlich nicht, dass ich die Angaben des Komponisten ignoriere. Vielmehr versuche ich, die Musik – mit ihren Angaben – so zu gestalten, wie ich sie gerade in diesem Moment empfinde. Wenn ich zum Beispiel eine Brahms-Sonate zehn Mal spiele, spiele ich in gewisser Weise auch zehn unterschiedliche Versionen. Ohne die Auseinandersetzung mit anderen Stilen, hätte ich dies wahrscheinlich in dieser Dimension nicht begriffen.

Haben Sie ein festes Engagement und wie ist es Ihnen im Corona-Lockdown ergangen?
Der Corona-Lockdown hatte tatsächlich einen großen Einfluss auf meine Einnahmen als Musiker. Mitte März wurden mit einem Schlag plötzlich alle meine Konzerte abgesagt. Auch die Musikschule, in der ich gearbeitet habe, konnte mich nicht mehr bezahlen. Von einem Tag auf den anderen musste ich ausschließlich von meinen Ersparnissen leben. Zum Glück war ich zu diesem Zeitpunkt zu Besuch in Wien bei meinen Eltern und blieb dort neun Wochen lang. Finanziell gesehen hätte ich das anders nicht überstanden. Sowohl Deutschland als auch Österreich haben freiberufliche Künstler ziemlich im Stich gelassen. Ich bekam aus verschiedensten Gründen keine Förderung.

Was erwarten Sie sich von dem Pirmasenser Konzert?
Ich freue mich auf unser Konzert in Pirmasens. Ich wünsche mir, dass es den Leuten gefällt und wir mit unserem breitgefächerten Programm unsere Begeisterung für unterschiedliche Musik vermitteln können.

Infos

  • Eintrittskarten sind für zehn Euro im Pirmasenser Kulturamt erhältlich. Das Kartenkontingent ist begrenzt. Eine Reservierung ist daher erforderlich. Bestellungen sind unter Telefon 06331/842352 oder per E-Mail an kartenverkauf@pirmasens.de möglich.
  • Bei schlechtem Wetter findet das Konzert in der Festhalle statt.

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