Pirmasens Danke für den Ohrwurm

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„Lollipop, Lollipop, oh Lolli, Lolli. Lolli, Lollipop!“ Wer einem, so wie die Bezirkskantorei am Mittwoch bei der letzten Fabrik-Musik 2015 im Pirmasenser Forum Neufferanum, so einen Ohrwurm verpasst, der hat das Recht auf das nun folgende Lob eigentlich verwirkt. Anstatt nachtragend zu sein sei gesagt: Es war erneut ein höchst unterhaltsamer Abend mit guter Musik und pfiffigen Gedichten vor ausverkauftem Haus.

Apropos ausverkauft: Ausgerechnet in der für Zahlenmystiker eher unheilschwangeren 13. Saison der Fabrik-Musik waren alle drei Konzerte komplett ausverkauft, wie der höchst erfreute Bezirkskantor Maurice Antoine Croissant dem Publikum mitteilte. Für die Fabrik-Musik spricht von Anbeginn an die Qualität der gebuchten Künstler – den Auftakt dieses Jahr machten „Man(n) singt!“ als „klassischer“ Männerchor, gefolgt vom Blues-Gitarristen Timo Gross und nun, wie jedes Mal, zum Abschluss die Bezirkskantorei – aber auch die Vielfalt der Stile und Genres und die Beharrlichkeit, mit der diese Konzert-Reihe aufgebaut worden ist. Nach wie vor stellt die Bernd Hummel Immobilien Projekte GmbH das Neufferanum kostenlos zur Verfügung, was den finanziellen Aufwand für die Reihe in kalkulierbaren Grenzen hält. Musikalisch versteht sich die protestantische Bezirkskantorei sogar auf kulinarische Ökumene und besingt die schandbaren Taten der Gänse, die den katholischen Heiligen St. Martin verraten haben und deshalb in der Bratröhre landen. Dem Chor geht dabei jedes Mitleid mit dem Federvieh ab: „So lasset uns all insgemein, bei g`bratenen Gänsen fröhlich sein!“ Später wird man sich jahreszeitlich sogar geradezu antizyklisch geben und von Robert Schumann („So sei gegrüßt viel tausendmal“) und Helmut Barbe („Horch, was kommt von draußen rein“) dem Frühling ein „Willkommen“ entgegenschleudern. In der Woche vorm ersten Advent ein immerhin unerschrockener Ansatz. Die letzte Fabrikmusik jeder Saison wäre nicht vollständig, gäbe es nicht ein paar hinterlistige Gedichte zu hören, deren kongeniale Rezitation in diesem Jahr Sigrid Leilich für die erkrankte Hanne Riesch übernommen hatte. Man darf was von Gerichtsvollziehern hören („Fröhlicher Besuch“ von Fred Endrikat) und auch wieder was über den Frühling, poetisch von Erich Kästner „Besagter Lenz ist da“, mit den letztgültigen Worten: „Es ist zwar jedes Jahr dieselbe Sache, doch es ist immer wie zum ersten Mal.“ „Da haben zwei wirklich Spaß“, entfuhr es einem der Zuhörer, als sich Maurice Croissant und Volker Christ an den Flügel setzten und mit einigen Nummern vierhändig von Bill Evans und dem Groove von Blues und Jazz-Walzern gehörig Würze ins Geschehen brachten. Ohnehin ist man bei der Bezirkskantorei allerlei Ausflügen in angrenzende musikalische Gefilde nicht abhold. Bei „All You Need Is Love“ in einem Arrangement von Alan Billingsley darf sich Tenor Robert Metz mit bestem Lena-Meyer-Landrut-Englisch solistisch ausleben. Auch eher selten, dass Maurice Croissant die Solo-Stimme übernimmt, sehr schön bei „Caravan Of Love“, das seine bekannteste Cover-Version von „The Housemartins“ in bester Barber-Shop-Manier erlebt hat. Den Chor-Frauen war dann das erwähnte „Lollipop“ mit Body-Percussion von Joel Wölker zu verdanken und das wie immer tränenrührende Schlaflied „La-Le-Lu“, bei dem man immer Heinz Rühmann und Oliver Grimm aus dem Film „Wenn der Vater mit dem Sohne“ vor Augen hat. Besinnlich und zurück in der Zeit war die Bezirkskantorei zum Ende des Konzertes mit „O stille Zeit“ und „Nun der Tag geendet hat“.

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