Pirmasens Eine Ikone der Rockmusik

Sie war berühmt für ihr gutes Aussehen, für ihre Liebhaber Mick Jagger und Paul McCartney, und sie war berühmt für ihren exklusiven wie exzessiven Lebensstil, für Sex, Drogen und Rock’n’Roll. Sie sang die Lieder anderer Künstler, wie die von Leonard Cohen („Tower of Song“) und Bob Dylan („It’s All Over Now“), hatte aber auch eigene Hits wie „Broken English“ und „The Ballad of Lucy Jordan“. Marianne Faithfull trat auch in Musicals und im Film auf. Jetzt ist sie berühmt für ihre eigene Geschichte. Auf ihrem letzten Album „Give My Love to London“ (2014) erzählt sie einige weitere Kapitel daraus. Am 5. Oktober singt sie im Rahmen des Festivals Euroclassic in der Zweibrücker Festhalle.

Von „Grande Dame der 60er“ bis hin zu ,,Engel mit Titten“ oder ,,Marlene Dietrich des Rock“ wurden ihr schon viele Namen gegeben. Es gab kaum einen, der ihr nicht schmeichelte oder nicht immer etwas Wahrheit in sich barg. Doch Faithfull wurde mit solchen Titulierungen immer nur eindimensional erfasst. Erst jetzt, fast 50 Jahre nach ihrer Anfangszeit, weiß sie sich zu geben, wie sie wirklich ist. Ganz Frau, mit allem, was dazu gehört. Mal Vamp, mal Romantikerin, etwas Hausfrau und doch Künstlerin. Doch was ist heute, über 40 Jahre nach ihren Drogeneskapaden und Affairen mit Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones aus der femme fatale geworden? Sie hat es zu dem gebracht, was man bei Ikonen wie Bob Dylan, Patti Smith, Leonard Cohen oder Neil Young ständig behauptet, wenn man ihnen den Status der ,,elder states(wo)men of pop“ zugesteht. Die aufsehenerregende Schönheit wurde 1964 von „Stones“-Manager Andrew Loog Oldham überredet, sich als Sängerin zu versuchen. Mit ,,As Tears Go By“, dem ersten Stück aus der Feder von Mick Jagger und Keith Richards, landete sie einen Top-10-Hit. Es folgten weitere Chartstürmer, die vielbeachtete Beziehung mit Jagger, dann Trennung und Drogen, die sie bis Ende der 70er Jahre in Bann hielten. 1979 gelang ihr mit ,,Broken English“ ein grandioses Comeback. Es folgte ,,The Ballad of Lucy Jordan“ aus dem 1987er Album ,,Strange Weather“. Mit whiskeydurchtränkter und von Zigaretten geprägter Stimme, gut eine Oktave tiefer als früher, etablierte sich die Sängerin im Charakterfach. 1995 veröffentlichte Marianne Faithfull ,,A Secret Life“, ein zeitgenössisches Album, um sich dann mit ,,20th Century Blues“ und ,,The Seven Deadly Sins“ intensiv mit den 30er Jahren, besonders mit Brecht und Weill zu beschäftigen. Auf ihrem vielbeachteten „Vagabond Ways“-Album (1999) sang sich Faithfull schließlich mit mehr vom Blues getränkten Songs in die Gegenwart zurück. Die Frau, die fast 15 Jahre ihres Lebens harten Drogen verschworen war, findet mehr und mehr zu sich zurück, was sie mit ,,ich bin lediglich etwas ruhiger geworden“ bescheiden zu umschreiben versucht. Sitzt man der im nächsten Jahr 70 Jahre alt werdenden Künstlerin gegenüber, fühlt man jedoch nicht nur die Ruhe einer faszinierenden Frau, sondern auch deren pulsierendes Inneres. Dazu umgibt ihre pure Anwesenheit eine Atmosphäre, die kaum wiederzugeben ist. Es ist das Edle einer Dame, der Hochmut einer Lady, die Romantik einer Hure, das Lachen eines „älter gewordenen“ Mädchens, das Verruchte einer Diva – kurzum es ist all das, was Frau sein kann. Mal Domina, mal Sklavin des Lebens. Sie spricht leise und wohl überlegt, sucht nicht nach Worten, sondern lässt sich Zeit, die richtigen zu finden. Es ist all das, was sie auch durch Performance und Songauswahl während der Konzerte ihrer letzten Tourneen ausstrahlt. Etwas Rock’n’Roll, viel Blues, ein Hauch von Weill und ein Schuss von Piaf. In ihrem schwarzen Satin-Hosenanzug, Schuhen mit hohen Absätzen, blonden zurückgekämmten Haaren und stets eine ihrer geliebten Zigaretten in Händen scheint sie über all dem zu stehen, was sie einst zum Umfallen brachte. Sie wirkt wie ein gefallener Engel, der wie ein Phönix aus der Asche steigt. Kurzum, es ist ein Erlebnis ihre Präsenz spüren zu dürfen. Diese Frau scheint zu wissen, wie edel und wertvoll diese Momente einzuschätzen sind. Vielleicht ein Grund, warum sie sich so rar macht. ,,Ich nehme mir immer mehr Zeit, für das, was ich noch machen möchte“, erklärt sie. Und man scheint es nachvollziehen zu können. Es ist das Adlige in ihrem Blut, das sich für das was zu erledigen ist, Zeit und Ruhe lässt, um es mit Eleganz und Bravour zu erledigen. Die Tochter eines Literaturprofessors und einer österreichischen Baronesse aus der Familie Leopold von Sacher-Masochs füllt sämtliche Klischeevorbilder mit Inhalten und weiß dennoch, ausreichend „ich-selbst“ zu sein und zu bleiben. 2004 übersiedelte die Londonerin von ihrem Dubliner Wohnsitz nach Paris. 2006 erkrankte sie an Brustkrebs und stürzte sich dennoch in Arbeit. Drei Alben erschienen seitdem: „Easy Come Easy Go“ (2008), „Horses And High Heels“ (2011) und das aktuelle „Give My Love to London“ (2014). „Ich denke nicht, dass ich ein masochistisches Leben geführt habe“, erklärt sie. ,,Es war mehr das Leiden des Lebens, das Resultat von Exzessen, das nichts mit dem zu tun hat, was Masochismus wirklich ausmacht.“ Faithfull, am 29. Dezember 1946 in Hampstead geboren, scheut nicht vor unbequemen Fragen zurück. ,,Warum auch?“, fragt sie. ,,Mein Leben und all das, was dazu gehört, habe ich in meinem Buch wiedergegeben. Ich hätte es nicht veröffentlicht, wenn ich darüber auch nicht in der Öffentlichkeit sprechen könnte.“ Konzert Marianne Faithfull tritt am Montag, 5. Oktober, 20 Uhr, in der Zweibrücker Festhalle auf. Karten gibt es ab 36 Euro im Zweibrücker Kulturamt.

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