Pirmasens Heimliche Beziehung der Schwester: Haben zwei Brüder den neuen Freund verprügelt?

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Das Aufeinandertreffen traditioneller Erwartungen und moderner Verhaltensweisen brachte einen 25-Jährigen ins Krankenhaus und vier junge Männer auf die Anklagebank des Pirmasenser Schöffengerichts.

Auf der Anklagebank sitzen zwei Brüder (24 und 28 Jahre alt), ihr 36-jähriger Cousin und ein 22-jähriger Freund des 28-Jährigen. Alle vier sind türkischer Abstammung, in Deutschland aufgewachsen, sprechen gut Deutsch, haben teils den deutschen Pass, sind mit Frauen aus anderen Kulturkreisen verheiratet oder liiert und nicht besonders religiös. Trotzdem sollen sie einen 25-Jährigen aus dem arabischen Kulturkreis krankenhausreif geschlagen haben, weil der eine heimliche Liebesbeziehung zur 21-jährigen Schwester der beiden Brüder haben soll. Die Anklage lautet auf gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung und gegen die beiden älteren Männer außerdem auf Nötigung.

Im Juni 2023 habe er durch einen anonymen Anruf erfahren, dass seine Schwester in einer Beziehung mit dem 25-Jährigen sei, erzählte der 28-Jährige vor Gericht. Der sei ein enger Freund von ihm und er habe gewusst, dass er zu diesem Zeitpunkt in einer anderen Beziehung war. Sein jüngerer Bruder habe auf seine Bitte die Chat-Verläufe auf dem Handy der Schwester kontrolliert und festgestellt: Die beiden haben seit vier Monaten eine Beziehung. Nach Feierabend wollten sie über die Sache reden, auch mit dem 25-Jährigen. Sie hätten nicht gewusst, wie sie das ihrem Vater und Familienoberhaupt beibringen sollten. Warum das für die Brüder so eine große Rolle spielte, erläuterte der Cousin: Sein Onkel, also der Vater des Mädchens, sei altmodisch. „Die Väter wollen eine Verlobung vor der Kennenlern-Phase. Wenn es passt, können sie heiraten.“ Sie, die Jungen, sähen das hingegen locker, das habe auch der 25-Jährige gewusst.

Unterschiedliche Versionen der Geschichte

Der 24-Jährige berichtete auch von einem anderen Vorfall: In der Landauer Straße habe ihm in der Nacht ein Auto mitten auf der Straße den Weg abgeschnitten. Am Steuer habe der 25-Jährige gesessen. Bei dessen Beifahrer habe er ein Messer gesehen und auf der Rückbank eine lange Metallkette. „Ich hatte Angst um mein Leben“, sagte er. Deshalb habe er dem Fahrer durch die offene Autotür einen Schlag versetzt. Dann seien alle ausgestiegen. Der Fahrer habe auf ihn losgehen wollen und es sei zum Schlagabtausch zwischen ihnen beiden gekommen. Dabei sei sein Gegner auch zu Boden gegangen. Sein Bruder habe ihn schließlich weggezogen.

Der 28-jährige Bruder, der dabei gewesen sein will, gab an, er habe gedacht, die gingen alle drei auf seinen Bruder los. Die Gruppe sei nicht auf Reden eingestellt gewesen. Dem Mann mit der Kette habe er gesagt, dass er mit der Sache zu tun habe und er gehen solle. Der habe auf ihn gehört. Dann gab er an, dass er nicht wisse, ob sein Bruder oder der Fahrer zuerst geschlagen habe. Er selbst und der Cousin, der auch dabei gewesen sein soll, hätten weder geschlagen noch getreten. Der Cousin wiederum erzählte, er habe eine Schreierei gehört und gesehen, wie der 24-Jährige auf dem 25-Jährigen sitzt und auf ihn einschlage. Er habe dann geholfen, ihn wegzuziehen. Die beiden anderen Personen seien abgehauen.

Mittlerweile Heirat und ein Kind

Der geschädigte 25-Jährige erzählte eine andere Geschichte: Er sei gewarnt worden, dass er gesucht werde und dass etwas passieren würde. In der Landauer Straße seien dann zehn Leute aus einer Bar gekommen. Durch die offene Beifahrertür habe der 36-Jährige den Autoschlüssel abgezogen. Alle vier Angeklagten hätten dann abwechselnd und von allen Seiten auf ihn eingeschlagen und ihn getreten. Den ersten Schlag habe ihm der 28-Jährige versetzt. „Ich war hilflos“, sagte er. Der Älteste habe ihm noch gedroht, er solle nicht sagen, dass sie es waren, sonst passiere etwas. Am nächsten Tag habe ihm der 28-Jährige gesagt, er solle die Frau heiraten. „Du bist hinter unserem Rücken mit ihr zusammen“, sei dessen Begründung gewesen.

Er habe bis heute Probleme mit Augen und Ohren, müsse an der Nase operiert werden und sei immer noch krankgeschrieben. Inzwischen hätten er und die 21-Jährige religiös geheiratet und ein gemeinsames Kind, erzählte der Geschädigte. Seine beiden 18-jährigen Mitfahrer räumten vor Gericht ein, dass sie ein Messer – angeblich zum Eigenschutz – und eine lange Kette – angeblich für eine Kellertür – dabei hatten. Der eine will während der Schlägerei noch im Auto gesessen haben. Mehrere Personen hätten auf den Fahrer eingeschlagen und getreten, der 28-Jährige auch noch, als der Geschädigte auf einer Treppe gesessen habe. Den 22-Jährigen habe er aber nicht gesehen. Der andere Mitfahrer hatte keine Erinnerung an den Vorfall. Er sei zu betrunken gewesen, erklärte er. Ein Taxifahrer, der die Polizei rief, will gesehen haben, dass die beiden Brüder auf den Fahrer eingeschlagen haben – einer von der Fahrer- und einer von der Beifahrerseite aus. Die Verhandlung wird am 15. Juli fortgesetzt.

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