Pirmasens Kein Durchschnitts-Typ

Steht am liebsten auf der Theaterbühne: der Schauspieler und ehemalige „Disco“-Moderator Ilja Richter.
Steht am liebsten auf der Theaterbühne: der Schauspieler und ehemalige »Disco«-Moderator Ilja Richter.

Haben Sie ihn erkannt? Genau: Das ist Ilja Richter. Der Mann, der vor 40 Jahren mit der Sendung „Disco“ und dem von ihm erfundenen Spruch „Licht aus – Whoom! – Spot an!“ deutsche Fernsehgeschichte geschrieben hat. Mit dem Musical „Catch me if you can“ gastiert der 66-jährige Schauspieler am heutigen Dienstag, 20 Uhr, in der Pirmasenser Festhalle.

Der eine oder andere wird tatsächlich zweimal auf das Foto geschaut haben. Aber was wirklich unverkenn- und unverwechselbar ist, ist Ilja Richters Stimme. Eine Stimme wie aus Samt. Der weiche Klang und der leichte Berliner Einschlag ergeben einen ganz warmen Sound, der sich eine Dreiviertelstunde durch das Telefon überträgt. Die meiste Zeit läuft, nein: spaziert Ilja Richter durch seine Wohnung, und es klingt nicht, als würde er nebenbei Socken zu Paaren ordnen. „Es gibt Karrieren“, sagt er und nennt Dieter Thomas Heck als Beispiel, „in denen spiegelt sich der Durchschnitt. Jemand wird prominent, weil er die Leute an sich selbst erinnert.“ Und dann gebe es die Prominenten, zu denen rechne er sich selbst: jene, die den Menschen „eigenartig fremd“ geblieben sind, die sympathisch sind, aber auch schräg, skurril oder exotisch. „Einzelgänger“, „Außenseiter“ gar – das sind keine negativen Bezeichnungen für Richter, sondern wertfreie Beobachtungen. „Sie finden keinen ähnlichen Typen“, sagt er beim Flanieren durch seine Räume und durch sein Leben. Er denkt dabei an den jungen Mann, der von 1971 bis 1982 einem Millionenpublikum die ZDF-Sendung „Disco“ präsentierte, 133 Folgen lang. In gewisser Weise sei dieser Showmaster-Ilja eine Kunstfigur gewesen. Ein junger Mann, der Bundfaltenhosen trug und einen strengen Scheitel, als alle anderen ihre langen Haare schüttelten. Merkwürdig wirken heute die selbst geschriebenen Sketche, eingestreut zwischen Auftritte von „Deep Purple“, „Blondie“ oder auch Roberto Blanco. Schluss mit „Disco“ war noch vor seinem 30. Geburtstag. Ilja Richter war danach oft im Fernsehen zu sehen, aber: „Das waren nur Ausflüge.“ Er sei eher mit Ab- als mit Zusagen beschäftigt. Selten, sagt er, werden ihm andere Fernsehformate angeboten als solche, in denen er einen ehemaligen Showmaster, einen Moderator im Ruhestand, einen gealterten Schlagersänger spielen soll. Richter spricht von der „Kleinkariertheit der Fernsehredakteure“ und der eigenen Angst, sich auf Klischees und Fantasielosigkeit einzulassen: „Durchschnittlichkeit ist etwas sehr Ansteckendes.“ Am liebsten steht er auf der Theaterbühne – wie schon im Alter von neun Jahren, lange vor „Disco“. Wie es dazu kam, dass er zum Kinderstar wurde, welchen Anteil seine Mutter daran hatte, zu der das Verhältnis so innig wie schwierig war: In mehreren Büchern, zuletzt erschien „Du kannst nicht immer 60 sein“, lässt es sich nachlesen. Sie zeichnen das Bild eines Mannes, bei dem auch im Klamauk immer eine Spur Melancholie zu spüren ist. Sein Vater, das muss man wissen, war Widerstandskämpfer und saß neun Jahre im Konzentrationslager. Seine jüdische Mutter überlebte das Dritte Reich mit einer falschen „arischen“ Identität. „Als Sohn von Eltern, die erlebt haben, wie man in die Ecke gedrängt wird“ habe er es als schlimm empfunden, auf einer Liste heimlicher Schwuler des Filmemachers Rosa von Praunheim aufzutauchen. Einerseits habe er nicht den Eindruck erwecken wollen, er halte Homosexualität für etwas Falsches. Andererseits habe er sich geärgert, weil es einfach falsch war. Und weil er um seine erotischen Chancen beim weiblichen Geschlecht fürchtete. Das vermeintliche Outing kommentierte er also berlinerisch-souverän mit den Worten: „Dit adelt.“ Und gab der Boulevardpresse Futter. Der brave Ilja, das ist die Essenz, hatte viele Affären und in den Siebzigern drei Jahre lang eine heimliche Beziehung zu Marianne Rosenberg. Und heute? Hält der 66-Jährige sein Privatleben aus der Öffentlichkeit rigoros heraus. Aktuell tourt er mit der Gaunerkomödie „Catch me if you can“ durch Deutschland. In der Musicalversion der wahren Geschichte des Hochstaplers Frank W. Abagnale spielt er die Rolle des FBI-Agenten Carl Hanratty. Im Frühjahr stehen einige Lesungen an und Auftritte mit dem Karl-May-Programm „Vergesst Winnetou“. Sollte bei einer dieser Gelegenheiten jemand zu ihm sagen, er habe sich aber sehr verändert – Ilja Richter würde es als Kompliment empfinden. Termin Karten für „Catch me if you can“ heute in der Pirmasenser Festhalle gibt es zu Preisen zwischen 15 und 25 Euro (ermäßigt jeweils die Hälfte) im Pirmasenser Kulturamt, Telefon 06331/842352.

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