Pirmasens Meister der Interpretation

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„Vierhändig hat man mehr vom Klavier“, hatte Bezirkskantor Maurice Antoine Croissant launig in der Pause bemerkt. Und er hatte recht. Das Pianisten-Ehepaar Christine und Stephan Rahn waren am Mittwoch zum Auftakt der diesjährigen Fabrikmusik-Reihe im Forum Neufferanum mit einem staunenswerten Programm in Pirmasens, das in dieser Qualität und Zusammenstellung begeisterte.

In dieser 14. Auflage der beliebten Konzertreihe, die unter Federführung von Bezirkskantor Maurice Antoine Croissant zusammen mit der Bernd Hummel Immobilien Projekte GmbH veranstaltet wird, ist so manches neu. Das Forum Neufferanum in seiner ursprünglichen Form existiert als Konzertbühne nicht mehr. Der Raum im Untergeschoss ist für sportliche Aktivitäten vermietet, die Konzerte finden nun im früheren Foyer des Neufferanums statt. Durchaus gewöhnungsbedürftig und mit weniger Platz als bisher – aber immerhin ist der Raum überraschenderweise akustisch sehr angenehm. Neu für die Fabrikmusik war auch, dass Maurice Croissant erstmals ein Programm für Klavier vierhändig präsentieren konnte. Der Speyerer Stephan Rahn war ja als Solist und Begleiter schon häufiger in Pirmasens zu Gast, nun war Premiere für ein Programm zusammen mit seiner Frau Christine, die Mozarts Sonate für Klavier zu vier Händen KV 512, Franz Schuberts Fantasie für Klavier f-moll und Sergei Rachmaninoffs Op. 11 – sechs Stücke für Klavier zu vier Händen auf dem Spielzettel hatten. Allesamt auch in technischer Hinsicht hoch virtuose Werke, was aber im Vergleich zur interpretatorischen Meisterschaft dieser beiden Pianisten beinahe in den Hintergrund tritt. Der Hinweis auf die rein handwerklichen Fähigkeiten – die verblüffende Koordination und makellose Geläufigkeit – ist bei diesen beiden Künstlern höchstens der Chronistenpflicht geschuldet, alles andere wäre nur gönnerhaft. Es ist vor allem die musikalische Brillanz, mit der man die Eigentümlichkeiten der jeweiligen Werke aufscheinen lässt, die schiere Technik ist da bei Christine und Stephan Rahn nur Mittel zum Zweck. Da wäre die Mozart-Sonate, mit der das Konzert eröffnet wurde. Das Ehepaar Rahn porträtiert das Genie als den musikalischen Bengel, den immer mal wieder der Hafer sticht. Auch wenn an der Sonate musikalisch bestimmt Gehaltvolles dran ist, hier hat sich einer ausgelebt, der wusste, dass er anderen technisch und inhaltlich über ist. Sehr sportiv und unterhaltsam. Dass Franz Schubert gewiss nicht zu den allerheitersten Komponisten zu zählen ist, darf als Allgemeingut durchgehen. Was aber Christine und Stephan Rahn aus seiner Fantasie f-moll an verstörender Emotion, wuchtigem Klang und menschlicher Zerrissenheit zu Tage förderten, hört man in dieser Intensität nur selten. Besonders aber im „Allegro molto moderato“ wurde hörbar, wie sehr Schubert im Werk auch zeitgenössischer Musiker weiterlebt, beispielsweise bei Gérard Jouannest, dem Komponisten und Arrangeur von Jacque Brels „Ne me quitte pas“ und „Les vieux amants“. Die Inspirationsquelle ist unüberhörbar. Begeisternd dann, wie Christine und Stephan Rahn nach der Pause Rachmaninoffs op. 11 gestalteten. Auch hier handwerklich absolut auf der Höhe, aber viel mehr noch in der differenzierten Wiedergabe dieses durchaus auf Effekt gebürsteten Sechs-Stücke-Zyklusses. Bei den Rahns hört man, dass es Rachmaninoff beileibe nicht nur um ein Vorführen der pianistischen Möglichkeiten ging, sondern um das Ausloten von Stimmungen und disparaten Gefühlen. Auch Rachmaninoff war ein Inspirator erster Güte: Tony Banks, der Pianist der Rockgruppe „Genesis“, hat bei der Bacarole ziemlich genau hingehört. Die flotte Arpeggien-Figur in der rechten Hand von Christine Rahn kommt dem Riff von „The Lamb Lies Down On Broadway“ schon auffällig nahe. Infos Das nächste Konzert der Fabrikmusik am Mittwoch, 9. November, 20 Uhr, gestaltet die Jazzsängerin Nicole Metzger. Sie wird ihr Programm „Der Lauf der Zeit“ mit deutschen Texten von Heidi Kramer und Eigenkompositionen präsentieren. Metzger wird begleitet von Jean-Yves Jung am Piano.

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