Pirmasens „Nicht über Nacht zu leisten“

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Wann dürfen Flüchtlinge arbeiten? Welche Rolle spielen kulturelle Unterschiede? Müssen Muslime regelmäßig beten? – Fragen, die eine Themenrunde zur Integration von Flüchtlingen in der Arbeitswelt am Donnerstag beschäftigten. Geladen hat der Beirat für Migration und Integration etwa 50 Gäste aus Wirtschaft, Verwaltung und Bildung, Polizei, dazu eine Islamwissenschaftlerin, den Generalsekretär des islamischen DITIB-Landesverbandes für soziale und religiöse Belange und einen Vertreter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

Der Beirat wolle bei der Integration helfen, betonte dessen Vorsitzende Anja Koc, verstehe sich dabei als „Türöffner“. Schon im Vorfeld hatten die ehrenamtlichen Mitglieder daher Fragen gesammelt – rund um die Beschäftigung von Flüchtlingen, aber auch zu deren Kultur und Religion. Die beginnen bei Ausbildungsnachweisen und Zeugnissen, die laut Handwerkskammer (HWK) im Original vorliegen sollten. Möglichkeiten zur Feststellung von Befähigungen hat aber nicht nur die HWK: Bereits in der BBS könnten sie berufliche Kompetenzen feststellen und fördern, betont deren Leiter Jörg Altpeter, der jedoch auch den fortbestehenden Mangel an Deutschlehrern anspricht. Prüfen könne zwar die Arbeitsagentur die Leute nicht, ergänzt dort Michael Sester – aber sie begleite und unterstütze sie im Anerkennungsverfahren, zusammen mit dem Sozialamt; für anerkannte Flüchtlinge ist das Jobcenter zuständig. Letztere dürfen dann auch arbeiten. Wer (noch) nicht anerkannt ist, benötigt hingegen die Genehmigung der Ausländerbehörde. Diese prüft auch über die Arbeitsagentur im Vorrangverfahren, ob die Stelle etwa nicht durch einen Deutschen zu besetzen sei. In Mangelberufen, etwa in der Pflege, können Flüchtlinge daher Chancen haben. Die Genehmigungspflicht kann übrigens auch für Praktika gelten – Behördenvertreter raten daher Arbeitgebern, sich unbedingt zu informieren. Wer Flüchtlinge anstellen möchte, muss aber Geduld aufbringen. Denn wie lange Anerkennungsverfahren dauerten, lasse sich schwer sagen, warb der Vertreter des Bundesamtes für Migration um mehr Geduld – bei einem Stand von etwa 700.000 unerledigten Verfahren und 2000 bis 2500 Entscheidungen pro Tag. Für den Raum Pirmasens sieht er aber keine größeren Probleme; bei den Integrationskursen durch drei Träger gebe es hier keine langen Wartelisten. Reibungslos läuft Integration freilich nicht. Da sind Ärzte, die über den bürokratischen Aufwand infolge der vom Sozialamt auszustellenden Behandlungsscheine und eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten klagen; da ist die Stadt, die in Einzelfällen mehr helfen will, aber ihre Finanzen im Blick halten muss; da ist die Polizei, die zwar feststellt, dass Flüchtlinge nicht mehr auffallen als Deutsche, die aber mit Sprachproblemen zu kämpfen hat. Da ist der Arbeitgeber, der dem kulturellen Hintergrund seiner Auszubildenden hilflos gegenüber steht. Wie etwa im Krankenhaus, wo die Familie einer jungen Muslima in der Pflege verboten hat, Männer zu waschen. Im Grunde, erklärt Islamwissenschaftlerin Seher Gükce, sei dies nicht erlaubt, aber der Islam kenne Ausnahmen – und die Pflege kranker Menschen gehöre dazu. Auch das tägliche Gebet könne in einer Zeitspanne verrichtet werden, wobei dies nicht länger als fünf Minuten dauern müsse; dies betreffe die Arbeitszeit meist nur einmal am Tag, ergänzt der DITIP-Generalsekretär. Eine ernste Pflicht sei hingegen das Freitagsgebet. Nicht jeder Arbeitgeber könnte solches in seinen Betriebsalltag integrieren. Aber, relativiert dies Flüchtlings-Netzwerkerin Simone Brandt von der HWK, in der Praxis machten das die Jüngeren ohnehin meist mit sich selbst aus. Schwieriger sei es für Ältere, sagt sie, wofür sie aber auch Verständnis habe. Integration sei eben „nicht über Nacht zu leisten“. (tre) Infos Informationen für Arbeitgeber gibt es gebündelt im Sozialamt bei der neuen „Jobpilotin“ Kerstin Fuhrmann, Telefon 06331/877-260, bei Karl-Jürgen Schneider im Jobcenter, Telefon 142162, oder in der Arbeitsagentur Pirmasens.

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