Pirmasens Pirmasens zwischen Historie und Quatsch

Stefan Reusch tritt am 18. August zum ersten Mal in Pirmasens auf.
Stefan Reusch tritt am 18. August zum ersten Mal in Pirmasens auf.

Als eine Hommage an die Schuhstadt Pirmasens ist die Veranstaltung „Industriekultur Pirmasens – von 10 bis 10“ am Wochenende vom 18. und 19. August gedacht. Im Mittelpunkt der heiter-melancholischen Inszenierung – eine Mischung aus Tanz, Musik, Straßentheater, Illumination und Performance – steht die bewegte Kultur- und Sozialgeschichte der Stadt und der Strukturwandel, den Pirmasens bis heute durchlebt. Einen Beitrag zu diesem Kulturspektakel fällt auch dem Kölner Kabarettisten Stefan Reusch zu. Was genau er dem Publikum dabei präsentieren wird, weiß er selbst noch nicht – es wird aber etwas einmaliges sein. Über sein Leben als Kabarettist und Sprachakrobat und was von ihm seitens der Pirmasenser Veranstalter gewünscht ist, sprach er mit Christian Hanelt.

Sie schreiben einen Text eigens für diese Veranstaltung?

Ja, in der Tat. Tom Peifer, der Pirmasenser, der in Mainz ein Theater leitet und jetzt in Pirmasens an der Organisation beteiligt ist und den ich seit 25 Jahren kenne, hat mich gefragt, ob ich etwas zur Veranstaltung beitragen könnte. Aber ehrlich gesagt, wir wissen noch nicht, was genau ich machen werde. Es wird sicher so eine pseudoseriöse Rede werden mit Fakten und noch mehr Fake-News. Also wird sich diese Rede mit der Pirmasenser Geschichte beschäftigen? Sie beschäftigt sich mit der Historie oder nimmt sie zumindest als Vorwand, um ein bisschen Quatsch zu erzählen. Dabei wird es natürlich um Schuhe gehen, denn Pirmasens kann man nicht beschreiben, ohne auf die Schuhe einzugehen. Mir ist bei der Vorbereitung aber auch eingefallen, dass ich früher viel mit Pirmasens zu tun hatte – als Gegner beim Fußball. Allerdings nicht als Spieler, sondern als Zuschauer. Die Sportfreunde Eisbachtal waren meine Mannschaft, und da gab es erbitterte Duelle gegen die großen Pirmasenser. Schauß hieß damals ein Stürmer, der viele Tore gemacht hat – leider auch gegen uns. Für Pirmasens war das damals wohl eine bittere Zeit, für Eisbachtal die Hochzeit. Wann war das? Das war die Mofazeit, da war ich 15 – also Anfang der 70er Jahre. Zur Sache Womit verbringen Sie heute den Tag. Mit einem aktuellen Kabarettprogramm sind Sie derzeit ja nicht unterwegs? Ich habe zwar ein aktuelles Programm, aber das spiele ich nur einmal während des Sommers. Die Weltmeisterschaft war, Ferien sind – wer da als Kabarettist auftritt, ist meistens auf einem Kreuzfahrtschiff oder so etwas ähnlichem. Gegen eine Weltmeisterschaft anzutreten, schien mir wenig Sinn zu machen – ich wusste ja nicht, dass das nur drei Spiele werden. Heute zum Beispiel habe ich meine Mutter besucht und werde nachher noch mein endlich repariertes Rad abholen. Vielleicht werde ich auch noch meinen Rasen mähen. Ich mache also ganz normale Sachen. Und dazu kommt noch meine normale Rundfunkarbeit. In der Südwestpfalz sind Sie durch Ihren Wochenrückblick bei SWR3 bekannt. Wo sind Sie sonst noch zu hören? Beim WDR habe ich zum Beispiel eine Sondersendung zum 70. von Otto moderiert. So etwas mache ich regelmäßig beim WDR. Den Wochenrückblick beim Südwestrundfunk mache ich inzwischen schon seit 1995. Wie gehen Sie vor, wenn Sie so einen Text schreiben wie für den Wochenrückblick? Darüber muss ich mir jetzt selbst erst einmal bewusst werden, denn das läuft so nebenher. Wenn ich Zeitung lese, unterstreiche ich mir, was zum Beispiel der Trump sagt oder wenn er sich angeblich mal wieder verspricht. Das reiße ich dann aus der Zeitung aus und lege es beiseite. So hat sich dann ein kleines Häuflein von zehn, zwölf Sachen am Ende der Woche angesammelt. Dazu kommen Nachrichten aus dem Radio. Das wird alles ein bisschen durcheinander geschüttelt und dann versuche ich, dem wieder einen Sinn zu geben. Ist Donald Trump gerade der beste Vorlagengeber? Es gibt Konkurrenten. Aber bei dem omnipräsenten Trump muss man eigentlich nichts voraussetzen. Wenn ich dagegen etwas über Rundfunkgebühren machen würde, müsste ich erst einmal sagen, wie die bisherige Regelung ist und wie sie sich verändert hat. Bevor ich das alles erklärt habe, ist eine Minute rum ohne Pointe. Bei Trump dagegen kann man alles an Vorwissen voraussetzen. Oder auch beim Ausscheiden bei der Fußball-WM. Das weiß jeder – auch der, der sich nicht für Fußball interessiert. Haben Sie ein Testpublikum bevor Sie mit einem Text zum ersten Mal an die Öffentlichkeit gehen? Meine Frau und meine Tochter würden sich bedanken. Die rollen sowieso schon mit den Augen, wenn ich irgendwo im Bekanntenkreis eine kleinere Rede halten soll. Dann sagen sie „Oh Gott, jetzt kommt wieder was witziges“. Da ist man schon immer nahe dran, dass sich für einen fremdgeschämt wird. Es gibt Leute, die kriegen die Texte exklusiv. Früher, zu Zeiten des Fax’, war das Christoph Sonntag. Dem habe ich immer die Texte gefaxt, weil ich selbst kaum Auftritte hatte. Mittlerweile ist es so, dass ich zwei, drei Leute habe, die das hören wollen. Sie rufen mich an – allerdings erst mittags, weil ansonsten der Zeitdruck für mich zu stark wäre – und lassen sich dann exklusiv den Text vorlesen. Da bekomme ich dann so eine Art Feedback. Gibt es für Sie Themen, die Sie nicht anrühren? Prinzipiell nein. Bei einigen Sachen reicht mein Handwerkszeug einfach nicht, um sie glossierend darzustellen – wenn zum Beispiel Menschen im Mittelmeer ertrinken. Ich mache da aber manchmal einen Kniff, indem ich über die Berichterstattung darüber berichte: „und dann schreiben die Zeitungen, dies und jenes ist passiert. Ach. Ist das wirklich passiert?“. Und dann ist es fertig. Ich muss dann auch nicht alles ausformulieren, denn klüger als andere bin ich auch nicht. Ich kann manches vielleicht ein bisschen witziger ausdrücken. Schreiben Sie auch Texte für Kollegen? Ich habe jetzt gerade die Premiere von Franz Kain aus Weinheim absagen müssen. An dessen Programm schreibe ich mit. Außerdem schreibe für jemanden aus Deidesheim. Und bei den „Mitternachtsspitzen“ im WDR bin ich im erweiterten Autorenteam. Mein Stil ist allerdings schwer auf andere übertragbar – das merke ich immer wieder. Sie haben gerade die „Mitternachtsspitzen“ angesprochen. Zu sehen sind Sie im Fernsehen aber nur sehr selten. Jetzt war ich mal wieder bei den „Mitternachtsspitzen“. Da bin ich sozusagen als Springer reingekommen. Meine Hauptzeit im Fernsehen war bis etwa 2000. Bis dahin war ich zehn Jahre regelmäßig in „Flutlicht“ beim SWR zu sehen. Als dort aber Michael Antwerpes Sportchef wurde, war es vorbei, denn der sagte, dass Kabarett und Sport nichts miteinander zu tun hätten – worüber man streiten kann. Dafür kam dann sehr viel mehr Rundfunk beim WDR. Ich habe damals nie daran gedacht, dass ich mal mit einem Kabarettprogramm unterwegs sein werde. Darauf haben mich vor zehn, zwölf Jahren erst andere aufmerksam gemacht. Wie definieren Sie Erfolg Wenn ich gut zu tun habe und wenn das, was ich tue, mir Spaß macht und die Leute, die ich schätze, nicht sagen, „um Gotteswillen, was machst du denn für einen Scheiß“. Erfolg ist auch, dass es nicht zu viel ist und ich prima davon leben kann. Sind Sie in diesem Sinn erfolgreich? Ja, in dem Sinne schon. Man muss in dem kurzlebigen Geschäft auch sehen, dass ich beim SWR schon ein Methusalem bin, denn ich bin dort schon seit 25 Jahren. Und es ist ein Privileg, dass ich das weitermachen kann. Andere Leute, die Zeitungen lesen und Nachrichten schauen, können all die Nachrichten nicht so verdauen und verwursten. Die kriegen dann eher Magengeschwüre. Ich kann das wenigstens noch kreativ verarbeiten. Das ist auch ein ziemliches Privileg. Bitte nennen Sie drei Gründe, zu Ihrem Auftritt nach Pirmasens zu kommen. Ich gebe dort zehn bis 15 Minuten eine Bestandsaufnahme – also einen historischen Vortrag. Dann werde ich – warum auch immer – bei irgendeiner Podiumsdiskussion dabeisitzen und werde anschließend noch zwei, drei Minuten als Nachklapp einen Ausblick geben, was in Pirmasens passieren wird. Es wird Neues über Pirmasens zu erfahren geben. Allein diese Fakten genügen doch schon, um zu der Veranstaltung zu kommen. Und außerdem kann man einfach mal die Hackfresse sehen, die man sonst nur im Radio hört.

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