Pirmasens Wie der Marschall zum Schaf kommt

Wie die Untiere ist auch dieses Porträt exakt zehn Jahre alt: Wolfgang Marschalls Haar ist grauer geworden, Edwin Schwehm-Herter
Wie die Untiere ist auch dieses Porträt exakt zehn Jahre alt: Wolfgang Marschalls Haar ist grauer geworden, Edwin Schwehm-Herter musste krankheitshalber aufhören. Marina Tamassy ist noch dabei.

Außergewöhnliche Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Die beiden ausverkauften Jubiläumsveranstaltungen der Kaiserslauterer Untiere am 18./19. Januar haben schon einmal alles aufgeboten, was die Kabarettgruppe um Wolfgang Marschall während ihres zehnjährigen Bestehens überregional bekannt gemacht hat.

Die galligen Spaßmacher begehen ihren Jahrestag im Kaiserslauterer SWR-Studio mit über 300 Plätzen − und allen Protagonisten an Bord, die in den vergangenen Jahren die erfolgreiche Mischung aus messerscharf-scharfzüngiger Abrechnung kommunal- bis bundespolitischer Ereignisse, Parodie und Persiflage sowie Musikkabarett mitgeprägt haben. Im RHEINPFALZ-Gespräch lassen Marina Tamassy und Marschall die Ereignisse Revue passieren. Marschalls kabarettistische Biografie scheint vordergründig untypisch. Studierte er doch Biologie sowie auch Psychologie und Pädagogik an der Uni Mainz. Schon zuvor beim Zivildienst gründete er aber eine Polit-Rockband namens Notstands-Ensemble, das mit Marschalls Texten zur Friedensbewegung und eigener, gemeinsamer Bandvertonung schon damals für Furore sorgte. Es war der Startschuss für regionale bis überregionale Auftritte, die bis nach Stuttgart und Heidelberg führten, wobei der südwestdeutsche Großraum bis heute Marschalls geografisches Spezialgebiet bleibt. Parallel schrieb er in den Jahren 1984/85 politisch angehauchte Revuen fürs Pfalztheater – die Ära des Intendanten Wolfgang Blum, der sich ohnehin im Sektor Musical für seine Offenheit bei programmatischen Neuerungen auszeichnete. Marschall bediente darüber hinaus Kleinkunstbühnen bis Karlsruhe mit seinen hinter-, wider- und tiefsinnigen Texten, schrieb sogar für die legendären Berliner Stachelschweine. Überhaupt studierte und kannte Marschall die kabarettistischen Hochburgen wie München, Wien oder das Düsseldorfer Kom(m)ödchen, das Frankfurter Schmieren-Kabarett und natürlich die Mannheimer „Klapsmühl“-Kleinkunstbühne am Rathaus, die nicht ratlos, sondern schlagfertig ist. Marschall hat also nie in seinen eigentlichen Studiengebieten gearbeitet, die kabarettistische Auseinandersetzung mit Zeitgenossen aller Art hatte für ihn eine Eigendynamik, ließ ihn nicht mehr los. So arbeitete er ab 1985 im Vollberuf als Texter fürs Kabarett, war 1998 Drehbuchautor für den SWR in Baden-Baden. Nach dieser Ära schrieb er Projekte für seinen Kollegen Reiner Kröhnert, eigene Regiearbeiten führten ihn nach Darmstadt, Frankfurt und Mannheim. Apropos Mannheim. Dort lernte er im Oktober 2008 seine Bühnen- und heutige Lebenspartnerin Marina Tamassy kennen, die sich für seine Vision einer eigenen Kabarettgruppe als „Traumfrau“ erwies: Sie bringt mit einer klassischen Gesangsausbildung, als Sprecherin beim SWR, gelernte Schneiderin (für eigene Kostüme) und schauspielerischer Erfahrung alles mit, was der Umsetzung von Marschalls zündenden Ideen dient. Schon im Januar 2009 fingen die unter dem Signum Untiere gegründeten Kabarettisten als Trio an. Für die musikalischen Arrangements der meist gecoverten und umgetexteten Musikstücke sorgte damals der aus dem Landkreis stammende Keyboarder Edwin Schwehm-Herter. Er blieb bis Ende 2016 in der Truppe. Mittlerweile haben die Jazz-Pianisten David Punstein und Matthias Stoffel seine Aufgaben übernommen, wobei Ersterer mit eigenen Kompositionen neue Akzente setzt. Inzwischen war 2012 mit Philipp Tulius ein weiterer maßgeblicher Protagonist zum Team gestoßen, der täuschend echt Politiker parodieren kann, allen voran den Lauterer Oberbürgermeister, der für die Untiere schlicht Klausi heißt. Zu Tulius’ Stimmenrepertoire gehören ferner Fußballer wie Lothar Matthäus und Fernsehikonen wie Otto. Bis 2013 traten die Untiere mit ihrem Programm „Da lacht das Schaf“ in der Kammgarn auf, danach bis Ende 2014 im Wirtshaus im Bahnheim, seitdem im Edith-Stein-Haus. Dabei änderten sich die Programmtitel in „Da lacht man scharf“ und „Ein Untier kommt selten allein“. Wie kommt ein hochtalentierter, auch philosophisch gebildeter, sehr belesener und mit Humor gesegneter Kabarettist dazu, in Kaiserslautern zu bleiben? Marschall lächelt süffisant und betont, dass hier die Politiker ja genügend Stoff liefern. Und seine Programme konkurrenzlos seien. Man darf also auf die Jubiläumsveranstaltung als eine Art „Best of the Best“ gespannt sein.

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