Leitartikel zum Jahreswechsel Wir müssen toleranter werden und anständig bleiben

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2023 war kein einfaches Jahr. Wer möchte, dass 2024 für die Südwestpfalz besser wird, sollte sich zwei Tugenden in Erinnerung rufen: Toleranz und Anstand.

Der Geldbeutel ist leer, auf dem Konto herrscht Flaute und der Monat ist noch lange nicht vorbei. Viele Pirmasenser kennen das. Die Stadt hat laut amtlichen Statistiken schließlich die höchste Pro-Kopf-Verschuldung Deutschlands. Die Arbeitslosenquote lag 2023 stabil über elf Prozent.

Im vergangenen Jahr spürten aber auch Südwestpfälzer, die keine sozialen Leistungen beziehen und nicht als arm gelten, dass die Zeiten härter werden. Wer bislang den Begriff Inflation nur aus dem Schulunterricht kannte, erfuhr nun, welche Auswirkungen globale Krisen auf den Wocheneinkauf haben. Inflation ist, wenn der Einkaufswagen nur halb voll, aber der Geldbeutel ganz leer ist.

Wer ist schuld?

Es liegt wohl in der menschlichen Natur, dass wir in solchen Situationen nach Schuldigen für die Misere suchen. Die sind vermeintlich schnell gefunden. Für manche ist Putin an allem Schuld, andere schimpfen auf die Israelis und die Palästinenser und Donald Trump gibt es ja auch noch.

Wenn gar nichts mehr hilft, werden die Flüchtlinge als Ursache all unserer Probleme ausgemacht. Nicht wenige wären glücklich, wenn es in Pirmasens wieder eine Zuzugssperre für Flüchtlinge gäbe.

Aber leider ist es nicht ganz so einfach. Wer glaubt, dass die großen Probleme der Stadt durch die Flüchtlinge verursacht sind, irrt. Die Arbeitslosigkeit, die mit über elf Prozent bundesweit nahezu einzigartig ist, war schon vor den großen Flüchtlingsströmen zweistellig. Nicht nur Migranten verursachen große Kosten im Sozialbereich, sondern auch Pirmasenserinnen und Pirmasenser, die teils schon in der zweiten oder dritten Generation auf staatliche Hilfe angewiesen sind.

Nur ein Katzensprung bis zur Intoleranz

Die Kriege in der Ukraine und in Israel tun ihr Übriges dazu, die Welt komplexer zu machen. Viele reagieren darauf, indem sie schnelle Antworten suchen. Und was geht schneller, als andere zu verurteilen? Vorurteile und Schubladendenken machen das Leben so herrlich einfach. Allerdings ist es von dort nur noch ein Katzensprung bis zur Intoleranz.

Wenn wir intolerant gegenüber anderen sind, sollten wir uns überlegen, wo das hinführen kann. Wird die Südwestpfalz wirklich eine liebenswertere Region, wenn die Intoleranten das Sagen haben?

Hinter mangelnder Toleranz steckt oftmals ein Unbehagen, die Angst vor dem Fremden. Wir distanzieren uns, um uns vor dem Unbekannten zu schützen. Ohne Toleranz kommen wir nicht weiter. Die gilt jedoch immer für beide Seiten: für jung und alt, für Pirmasenser und Zugezogene, für Gutverdiener und Geringverdiener, für Arbeiter und Arbeitslose. Es lohnt sich, zumindest zu versuchen, die Perspektive des Gegenüber einzunehmen, bevor man ihn verurteilt.

Gemeinsame Werte

Der französische Philosoph Voltaire hat schon im 18. Jahrhundert ein Plädoyer für Vernunft und Toleranz veröffentlicht. Er fordert dazu auf, gemeinsame Werte zu finden. Ein Wert, auf den sich alle Südwestpfälzerinnen und Südwestpfälzer einigen können, sollte doch zumindest der Anstand sein. Leider ist es um den nicht immer gut bestellt.

Es geht nicht um Anstand um des lieben Friedens willen. Nicht um antiquierte Verhaltensvorschriften. Sondern um unser konkretes Handeln: Wir verschicken hässliche Handyvideos von Politikern, garnieren sie mit hämischen Smileys und vermeintlich witzigen Sprüchen. Am nächsten Tag beklagen wir lauthals, dass niemand mehr in die Politik will und die, die dort sind, keine Ahnung haben. Auch außerhalb der Politik lassen sich Beispiele finden, wie wir problemlos anständiger miteinander umgehen können. Wie reden wir über unsere Nachbarn? Was sagen wir über Bekannte hinter deren Rücken? Und warum meckern wir eigentlich so gerne?

Wer will das machen?

Dieses Jahr stehen in der Südwestpfalz Wahlen an. Gemeinde- und Stadträte werden gesucht, aber auch Ortsbürgermeister. Wer tut sich das an? Wer möchte abends an der Theke oder morgens beim Bäcker darauf angesprochen werden, wenn unpopuläre Entscheidungen zu fällen sind? Wer will gezwungenermaßen die Steuern erhöhen, obwohl er davon nicht überzeugt ist?

In den nächsten Wochen stellen die Parteien ihre Listen für die Wahl am 9. Juni auf. Es wird vielerorts schwieriger als in den Vorjahren, Kandidaten zu finden. Das liegt möglicherweise auch daran, wie das Wahlvolk mit seinen Vertretern umgeht. Wie reden wir mit einem Glas Bier in der Hand an der Kerwe über die Mitglieder des Gemeinderates und den Bürgermeister? Warum glauben viele, alles besser zu wissen, engagieren sich aber dennoch nicht für das Gemeinwohl? Und wieso sinkt die Wahlbeteiligung seit Jahren?

Auf zur Wahlurne!

Wir alle sind mündige Bürger. Wir alle können tolerant und anständig sein. Wir alle sollten am 9. Juni zur Wahl gehen.

Es ist ein hehrer Anspruch, aber vielleicht ein guter Vorsatz für 2024: Lernen wir, ordentlich miteinander umzugehen und Unterschiede zu akzeptieren. Das ist der einfachste Weg, um friedlich, erfolgreich und glücklich miteinander zu leben. Die Südwestpfalz wird davon profitieren.

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